Zur Geschichte der Dattelner Versöhnungskirche

Über die Errichtung des Kirchsaals

 

 

Hier ist Trost und Licht

Es war ein weiter Weg bis zu dem freudigen Ereignis der Einweihung des Kirchsaals im neu entstandenen Gemeindehaus. Am 14. März 1954 war es soweit: Die evangelische Gemeinde Datteln konnte ihr schönes neues Gotteshaus am Meckinghover Weg im Süden der Stadt in Besitz nehmen. Die Kinder der Böckenheckschule unter Leitung von Rektor Osthaus hatten für die festliche Ausschmückung der Räumlichkeiten gesorgt.

 

Der Freudentag vereinigte Hunderte von Besuchern erst in der alten Notkirche und später im neuen Kirchsaal. Zur feierlichen Einweihung waren Landeskirchenrat Lic. Dedeke von der Westfälischen Landeskirche und Superintendent Geck vom Kirchenkreis Recklinghausen angereist.

 

Die evangelische Kirchengemeinde in Datteln und Meckinghoven ist Kind des Industriezeitalters. Sie entstand mit dem Vordringen des Bergbaus. Sie lebte das Leben einer Gemeinde im westfälischen Industriegebiet: Deshalb litt sie auch stärker als andere unter den Folgen des Bombenkrieges. Auf Grund dieser besonderen Belastungen des Ruhrgebiets durch die Kriegsfolgen war das kirchliche Leben an Emscher und Lippe stark betroffen. Fehlende Geldmittel und somit stark erschwerter Wiederaufbau im kirchlichen Bereich standen im Kontrast zu einem beschleunigten Wiederauf- und Neubau der auf den Bergbau hin orientierten Stadt sowie einer ständigen Bevölkerungszunahme der Gemeinde. Aufgrund unzulänglicher Kirchen, Gemeindehäuser und Jugendheime sah sich die Dattelner Kirchengemeinde in immer schwierigerer Lage, ihrem seelsorglichen Dienst an weiten Kreisen der Bevölkerung gerecht zu werden – eine Aufgabe, die angesichts der fortschreitenden Technisierung der Wirtschaft und Modernisierung der Gesellschaft ohnehin immer schwerer wurde.

 

Damals betonte die Ev. Landeskirche in Westfalen, dass es nötig wäre, um ihren Dienst an den ihr anvertrauten Menschen in der besonderen Lage der Kirche im Industriegebiet in angemessener Weise tun zu können, der Vermassung der Gesellschaft im Bereich der Kirche zu begegnen, indem sie die Ortsgemeinden noch stärker zum Mittelpunkt des Lebens des einzelnen Christen zu machen versuchte. Aus dieser engen Verbindung könne er dann die Kraft für die vielgestaltigen neuen Aufgaben in der modernen Welt ziehen. Um so die Ortsgemeinde wieder zur Heimat der Christen zu machen, wurde die Verkleinerung der Gemeinden und der Neubau von Kirchen und Gemeindehäusern als unbedingt notwendige Maßnahmen vorgeschlagen. (Aus einem Bericht der Ev. Kirche in Westfalen zur Lage der Kirche im Industriegebiet 1954)

 


Letzter Gottesdienst in der Segenskirche.

 

Die Einweihung

Um 9.30 Uhr hatten sich die Gemeindeglieder in der alten Notkirche Meckinghoven, der sog. Segenskirche „In den Erlen“, zu einer Abschiedsandacht eingefunden. Der Posaunenchor begleitete den festlichen Choral „Lobe den Herren“. In seiner Ansprache wies Pfarrer Dr. Hübner auf die Bedeutung des Tages hin und stellte vor allem heraus, dass dieses die letzte Andacht in der Notkirche war. Er hob hervor, dass die Gemeinde nicht nur allen Grund habe, sich über die Fertigstellung des neuen Kirchsaals zu freuen, sondern sie kann auch dankbar zurückblicken auf eine erfreuliche Entwicklung. Lobend und dankend nimmt die Gemeinde Abschied von ihrer alten Notkirche, die zugleich eine Segenskirche gewesen ist: Über 40 Jahre hat der Raum der Gemeinde als Bet- und Andachtsraum gedient, jahrelang war sie der Mittelpunkt des evangelischen Gemeindelebens. Überhaupt war sie immer dann eingesprungen, wenn man vor einer scheinbar unlösbaren Aufgabe zu stehen schien. Das war 1909 so bei ihrer erstmaligen Errichtung am Nonnenrott, wo sie bis zur Fertigstellung des Lutherhauses 1916 als Betsaal diente, und 1942, als Pfarrer lic. Karl Ecke sie erneut von Westerholt nach Datteln geholt hatte, nachdem die Friedenskirche an der Provinzialstraße durch Bombentreffer schwer beschädigt für Gottesdienste nicht mehr genutzt werden konnte.

Von links. Pfarrer Karstedt, Pfarrer von Oppen, Superintendent Geck, Landeskirchenrat Dedecke

und Pfarrer Dr. Hübner.


 

 

Nach dem Ausgangslied „Unsern Ausgang segne Gott, unsern Eingang gleichermaßen“ formierte sich dann der Zug, der zur nahe gelegenen neuen Kirche führte. Der Posaunenchor (CVJM), die kirchlichen Vereine, die Konfirmanden, die geladenen Gäste, das Presbyterium, die Geistlichen sowie die übrige Gemeinde zogen in großer Zahl über die Castroper Straße und Theresienstraße zum Meckinghover Weg. Zu den Ehrengästen zählten u.a. Landrat Hoppe, Kreis-Beigeordneter Angermann, Amtsdirektor Kierfeld, Amtsbürgermeister Stöver und Dattelns Baurat Heit.


Festakt vor dem Kirchsaal: von links: Pfarrer Dr. Hübner, Landeskirchenrat Dedecke, Architekt Judt, Superintendent Geck.


 

Mit dem Lied „Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein; ach, wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein“, intoniert vom Posaunenchor, versammelte sich die Menge vor dem Portal des neuen Gotteshauses. Besonders feierlich gestaltete sich der sich anschließende Akt der Schlüsselübergabe: Vor der Tür des Neubaus übergab Baumeister Heinrich Judt die Schlüssel zunächst an Landeskirchenrat Lic. Dedeke; dieser reichte sie weiter an Superintendent Geck, der sie dann endlich an den neuen Hausherrn, den Seelsorger des Meckinghover Bezirks, Pfarrer Dr. Hübner mit den Worten aushändigte: „Möge sich das gemeinsame Leben in diesem Haus nur segensreich auswirken.“ Dr. Hübner öffnete anschließend die Kirchentür und machte den Gemeindegliedern, den Gästen und Besuchern den Weg in den Kirchsaal frei.

 

Der schlichte, klarlinige, geräumige Saal konnte die Zahl der Gläubigen kaum fassen, die erschienen waren, um diesen Freudentag mitzuerleben und dem glorreichen Festakt beizuwohnen. Der Kirchenchor eröffnete die Feier mit dem Choral „Jesu, meine Freude“, bevor Landeskirchenrat lic. Dedeke die Einweihung vornahm. In seiner Ansprache würdigte er die Opferbereitschaft, die den Bau dieses Hauses ermöglichte. Dabei brachte er seine Genugtuung darüber zum Ausdruck, dass hier wiederum zur Freude der Landeskirche Westfalens ein Gotteshaus entstanden sei. Er stellte seine Ausführungen zur Einweihung unter das Bibelwort „Der Herr hat mir das Ohr geöffnet, dass ich höre wie ein Jünger“: „Es kommt auch in diesem Gotteshaus darauf an, das Wort Gottes richtig zu vernehmen und richtig zu verstehen.“ Der Meckinghover Gemeinde wünschte er, dass die Menschen zahlreich in dieses Haus strömen mögen, um dem Wort Gottes zu lauschen. Und er beschloss seine Rede mit den traditionellen Worten: „So sei nun dieses Haus Gott geweiht!“

 

Der gemeinsame Gesang „Nun danket alle Gott“, begleitet von den Posaunen, rundete den ersten Teil der Feier ab und eröffnete den folgenden Dank- und Bittgottesdienst. Er leitete über zur Schriftlesung durch Superintendent Geck; und der Kirchenchor sang die Kantate „Lobet, Christen, Euren Heiland“.

 

Die erste Predigt von der Kanzel des neuen Gotteshauses hielt dann Landeskirchenrat Lic. Dedeke. Erneut hob er hervor, dass in dieser Kirche allezeit das Wort Gottes laut verkündet werden möge, zum Segen allen, die es betreten und in ihm Trost und Frieden suchen. Damit hatte das mehrjährige Provisorium der Gottesdienste in der Segenskirche endlich sein Ende gefunden; der Bezirk Datteln-Süd verfügte endlich über einen würdig ausgestatteten Raum, in dem er seine Gottesdienste abhalten konnten. Festlich gestimmt und voller Freude über das gelungene Werk zur Ehre Gottes verließen die Gläubigen nach dem Segen das neue Gotteshaus. Sie alle bescheinigten dem Architekten, dass es ihm gelungen war, dass sich das Haus in die Landschaft einfügte und sich in seiner Form der Siedlung anpasste. Es lag mitten in ihr und war Teil von ihr.

Festlich gestimmt und voller Freude über das gelungene Werk zur Ehre Gottes verließen die Gläubigen nach dem Segen das neue Gotteshaus. Sie alle bescheinigten dem Architekten, dass es ihm gelungen war, dass sich das Haus in die Landschaft einfügte und sich in seiner Form der Siedlung anpasste. Es lag mitten in ihr und war Teil von ihr.

Brautpaar Helmut und Sigtid Lauber

beim Verlassen des Kirchsaales.

 

Unmittelbar nach dem ersten Gottesdienst im neuen Kirchsaal fand bereits die erste Trauung statt. Das Brautpaar Helmut Lauber / Sigrid Pliska reichte sich vor dem Altar die Hand fürs Leben und erhielt den Segen der Kirche.

 

 


Die Bauplanung

Nach dem Festgottesdienst gab es im Vestischen Hof (Merle) an der Castroper Straße noch eine Nachfeier, in der zahlreiche Ehrengäste das Ereignis ebenso wie die monatelangen Vorbereitungen gebührend mit Reden würdigten .

Schon Dr. Hübners Vorgänger im Amt als Pfarrer im Südbezirk, dem langjährigen Pfarrer Lic. Karl Ecke, war es Anfang der 50er Jahre klar geworden, dass der Bau eines eigenen Pfarr- und Gemeindehauses in Meckinghoven über kurz oder lang nicht zu umgehen sein würde. Denn aufgrund der Lage des Pfarrhauses an der Pevelingstraße fühlten sich die Evangelischen aus der Südstadt benachteiligt: sie hatten den weiten Weg zur Stadtmitte, während Pfarrer Ecke gerne von einer näher gelegenen Pfarrwohnung die Betreuung jeden einzelnen Gemeindegliedes intensiver durchgeführt hätte.

Auch genügten die beiden bescheidenen Gotteshäuser, die sich im Südteil der Stadt befanden, in keiner Weise mehr den Ansprüchen des damaligen Pfarrbezirks 2 als kirchliche Mittelpunkte. Für kirchliche Zwecke wurde zumeist eine transportable hölzerne Notkirche „In den Erlen“ genutzt. „Gottes Wort bleibt in Ewigkeit“ prangte in großen, weithin sichtbaren Buchstaben über der Eingangstür der Segenskirche. Das Gotteshaus, das schon von Datteln nach Westerholt vergeben und dann im Krieg von Pfarrer Lic. Ecke nach Datteln zurückgeholt worden war, war aus einfachen Brettern gezimmert und mehr schlecht als recht eingerichtet. Sie stand zwar – auf dem Gelände des heutigen E.on-Kraftwerks – ziemlich zentral im Ortsteil, war aber unterdessen recht baufällig und „platzte aus allen Nähten“.

Besser stand es da schon um die Friedenskirche, in der Nähe des Hebewerks, die nach Beseitigung der Bombenschäden am 4. Adventssonntag 1949 erneut eingeweiht worden war. Aber auch sie konnte nur bescheidenen Ansprüchen genügen; nachdem sich der Mittelpunkt des Ortsteils Meckinghoven verschoben hatte, lag die verträumte Kapelle an der Provinzialstraße zu weit abseits von den neuen Siedlungsgebieten am Dümmer, andererseits war sie viel zu klein und unzulänglich für die stark angewachsene Gemeinde.

 

Gesamtansicht: der Meckinghover Weg 1954.

 

Nach Kriegsende und dem Zusammenbruch der Nazidiktatur hatte der christliche Glaube eine Renaissance erlebt. Zahlreiche Deutsche suchten in den Gottesdiensten Trost. In dieser Zeit der Verwirrung und des Schmerzes, aber auch der Hoffnung und des Neuaufbaus wurde der Ruf nach einem Ort christlicher Versammlung und Besinnung dringender denn je formuliert. Den städtischen Bauplanern ging es primär um die Schaffung neuen Wohnraums und die Instandsetzung der wichtigsten Einrichtungen, um die existentiellen Bedürfnisse der Bevölkerung zu regeln. Dies weckte zwangsläufig den Wunsch nach zusätzlichen bzw. größeren Kirchbauten.

 

Zudem veränderten die aus ihrer Heimat vertriebenen Pommern, Ostpreußen, Schlesier und Sudetendeutschen die konfessionelle Landkarte Deutschlands. Im ehemals katholischen Vest Recklinghausen siedelten zunehmend Protestanten: durch den Zustrom der zahlreichen Flüchtlinge nach Datteln war auch die Zahl der Einwohner evangelischen Bekenntnisses sprunghaft in die Höhe geschnellt.

 

Als 1921 die zweite Pfarrstelle geschaffen und mit Pfarrer Lic. Ecke besetzt wurde, zählte die Dattelner Gemeinde 5.522 Gemeindeglieder, fünfzig Jahre später hatte sich diese Zahl nahezu verdoppelt. (1950: 9.445 Seelen; 1951: 11.413) Dieser Umstand ließ die Neuordnung der kirchlichen Bezirke zur notwendigen Konsequenz werden und 1952/53 auch den Ruf nach Gründung einer dritten Pfarrstelle in Datteln lauter werden. Dabei wohnte der größere Teil der Gemeindeglieder in den südlichen Ortsteilen Hagem und Meckinghoven. Da die Besiedelungspläne in Datteln außerdem vorsahen, das Schwergewicht des Wohnungsbaus auf die Südstadt (Möllerskamp, Neuer Weg) zu verlagern, erhöhte sich das immer drängender werdende Bedürfnis nach Errichtung einer festen, soliden Kirche in diesem Wohnbereich. Denn es war abzusehen, dass sich die Gliederzahl der evangelischen Gemeinde in den Folgejahren noch mehr zugunsten der südlichen Ortsteile verlagern würde.

 

Grundsätzlich bestand daher in der Pfarrgemeinde die Absicht, in Meckinghoven ein allen Ansprüchen genügendes Pfarrhaus mit ausreichendem Pfarrsaal zu bauen – den entsprechenden Beschluss fasste das Presbyterium in seiner Sitzung am 20. März 1953. Das ganze Bauvorhaben war allerdings nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern vor allem auch eine Finanzfrage. Denn die geschätzten Kosten von etwa 250.000 DM bereiteten der Gemeinde so ihre Schwierigkeiten: die Aufbringung einer solchen Summe war ihr selbst nicht möglich. Daher einigte man sich im Presbyterium zwangsläufig auf eine etappenweise Verwirklichung des Projektes. Priorität wurde dabei dem Pfarrsaal eingeräumt, für den ein Kostenvoranschlag von 145.000 DM einschließlich aller Nebenkosten (für Straßenbau, Anschlüsse an Leitungen, Einfriedung und Einebnung des Grundstücks) erstellt worden war. Erst danach – mit zusätzlich beantragten Landeszuschüssen – kam der Bau des Pfarrhauses in Frage.

 

Der ursprüngliche Lageplan des Kirchsaals Meckinghover Weg. Später wurde der Plan überarbeitet und gespiegelt.

 

Als Baugelände wurde ein Grundstück an der Ecke Meckinghover Weg/Tannenbergstraße erworben – die Moorwiese der Familie Gores, weil es günstig gelegen war am Rande der Dümmersiedlung und damit im Mittelpunkt des Pfarrbezirks zwischen der Meistersiedlung, dem Wohnviertel am Hebewerk und den damals zum Amt Waltrop gehörenden Ortsgemeinden Henrichenburg und Horneburg. Und als Architekt wurde ein aktives Gemeindeglied gewonnen, der pensionierte Zechenbaumeister Heinrich Judt. Herr Judt, Jahrgang 1885, geboren in Deutsch-Südwest-Afrika, war 1923 nach Datteln gekommen und arbeitete viele Jahre als Bauführer auf dem Bauamt der Zeche Emscher-Lippe. Lange Zeit war er zuständig gewesen für den Erhalt und die Renovierung der zecheneigenen Koloniebauten. Mit der Evangelischen Kirchengemeinde fühlte er sich all die Jahre eng verbunden, in jüngeren Jahren spielte er z.B. sonntags während der Gottesdienste das Harmonium in der Friedenskirche am Hebewerk.

Architekt Judt.


Zudem konnte die Gemeinde die Vorteile einer damals neu geschaffenen Finanzierungsmöglichkeit nutzen: die „kirchliche Aufbauhilfe“. Dieses Prinzip, 1952 ins Leben gerufen, sah die Teilfinanzierung von Neubauten im Industriegebiet durch einen westfälischen Lastenausgleich vor, der die Gemeinde zugleich zum Aufbringen des Restbetrages unter anderem durch Spenden motivieren sollte. Der damalige Präses der westfälischen Landessynode D. Ernst Wilm umschrieb dieses Prinzip 1954 folgendermaßen: „Zweierlei treibt uns, dieses Werk anzugreifen. ... Das eine ist die Verantwortung, die unsere Kirche für jeden einzelnen evangelischen Menschen hat. Sie hat ihm das selig-machende Evangelium zu bezeugen; sie soll ihm die Möglichkeit geben, im Gottesdienst das Wort Gottes zu hören, das Sakrament zu empfangen und mit der Gemeinde Gott zu loben und zu ihm zu beten; sie hat die Verantwortung, dass alle in unserer Kirche getauften Kinder im evangelischen Glauben erzogen und unterwiesen werden und hat also für solchen Unterricht zu sorgen. ... Um dieser Verantwortung willen ist unsere Kirche und sind alle unsere Gemeinden gerufen, sich überall da, wo neue Wohnsiedlungen entstehen oder wo die bisherigen Wohngebiete sich ausweiten, um die rechte kirchliche Versorgung ... zu kümmern und auch mit großen Opfern alles dazu Notwendige zu schaffen. ... Damit komme ich zu dem anderen, das ist die Verantwortung, die wir als Gemeinden in unserer Evangelischen Kirche von Westfalen füreinander haben. Wir haben erkannt, dass manchen unserer Kirchengemeinden Aufgaben erwachsen sind, die viel zu groß sind, als dass sie sie, auf sich allein angewiesen, bewältigen können. Darum muss hier ... der innerkirchliche Lastenausgleich eintreten und noch kräftiger helfen, als es bisher schon geschehen ist.“ (aus dem Geleitwort zur Schrift: Kirche im Industriegebiet, Schwelm 1954)

 

Die Kirchenleitung der Ev. Kirche von Westfalen hat in ihrer Sitzung vom 15./16. April 1953 entsprechend den Vorschlägen des Ausschusses für kirchliche Aufbauhilfe und des Ständigen Finanzausschusses der Landessynode der Kirchengemeinde Datteln zur Finanzierung des Kirchsaals in Meckinghoven aus Mitteln der Aufbauhilfe einen Baukostenzuschuss von 45.000 DM bewilligt. Bei der Bewilligung wurde vorausgesetzt, dass die gesamten übrigen Kosten einschließlich der Kosten für die Inneneinrichtung aus eigenen Mitteln der Kirchengemeinde, nötigenfalls durch Zuschüsse des Kirchenkreises Recklinghausen gedeckt werden. Der Rest der Baukosten wurde aufgebracht durch ein Baudarlehen in Höhe von 40.000 DM, durch einen Kontokorrentkredit in Höhe von 30.000 DM, durch einen Bauzuschuss des Kreissynodalvorstandes in Höhe von 5.000 DM und durch einen Zuschuss des Landesjugendamtes in Höhe von 3.000 DM für die Kellerräume.

 

Um den von Bielefeld erwarteten eigenen Beitrag zur Lösung der gewaltigen Finanzierungsprobleme vor Ort zu leisten, beschloss der Männerdienst im April 1953 die Gründung eines Kirchenbauvereins; für die Durchführung der organisatorischen Vorarbeiten wurden Pfarrer Dr. Hübner und Lehrer Prochnau gewählt. Diesem Verein wurde die Aufgabe übertragen, alle Kräfte der evangelischen Kirchengemeinde zu bündeln, die sich aktiv für den als dringendes Bedürfnis empfundenen Bau eines Gemeindehauses einzusetzen bereit waren. Zur Finanzierung des Bauvorhabens wurden Bausteine im Wert von 1 bis 10 DM ausgegeben. Der Ertrag dieser Sammlung war für das Gestühl und die Glocken bestimmt.

 

Am 3. Juli 1953 wurde mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen. Übrigens, damals war der Meckinghover Weg noch nicht voll ausgebaut. Die Ausschachtung nahm nur kurze Zeit in Anspruch; es brauchte nicht einmal ein Bagger eingesetzt zu werden. Denn weil das Gelände hier sehr abschüssig ist, kamen die Keller unter dem Gemeindesaal fast zu ebener Erde gelegen; somit erübrigte sich die Bewegung größerer Erdmassen. Bereits fünf Tage später, am 8. Juli, konnte die Firma Pulvermacher mit den Maurerarbeiten beginnen

 

Die Urkundenlegung

Zwischen den aufragenden Rohbaumauern, die später den Kirchsaal umgrenzen sollten, versammelte sich die Gemeinde am 23. August 1953 zur feierlichen Grundsteinlegung. Soviel ließen die Umrisse der bereits fertig gestellten Mauern bereits erkennen: hier wurden kirchliche Einrichtungen geschaffen, die dem aufstrebenden Ortsteil Meckinghoven gerecht werden sollten.

 

Der Festtag begann mit einem Gottesdienst in der Segenskirche. Unter Vorantritt des Posaunenchores des CVJM zog die Gemeinde anschließend zur festlich geschmückten Baustelle. Nach dem Lied „Großer Gott, wir loben dich“, begleitet von den Posaunen, eröffnete Pfarrer Dr. Hübner die Feierstunde zur Urkundenlegung mit dem Hinweis darauf, dass die hier einzubauende Urkunde noch nach Generationen davon künden solle, dass die Menschen des 20. Jahrhunderts nach wie vor treu zu Jesus Christus stehen und ihr Leben in christlichem Geiste leben wollen. Die Urkunde werde nicht für Jahre, sondern für Jahrzehnte und für Jahrhunderte eingebaut.

 

Die an Ort und Stelle verlötete Kupferkassette, welche die Urkunde barg, wurde von Pfarrer Karstedt unter den Klängen von „Lobet den Herren“ in den Kanzelsockel des neu entstehenden Kirchsaals eingemauert. Die Urkunde enthält in knapper Form die Geschichte der evangelischen Pfarrgemeinde Datteln, die 1938 nur an die 7700 Seelen zählte, inzwischen aber auf 11.313 Seelen angewachsen ist. Erwähnt sind in der Urkunde die maßgeblichen Schöpfer des Bauplanes, darunter Amtsbaurat Heit und Zechenbaumeister Mohr, sowie die Namen des Presbyteriums, das zum Zeitpunkt der Grundsteinlegung unter den Pfarrern Günther Karstedt und Dr. Paul-Gerhard Hübner amtierte. Nach dem Abbau der Kanzel (im Jahre 1979) ist die Kassette heute in der Wand hinter der Orgel zu erkennen.

Pfarrer Karstedt bei der Grundsteinlegung.


In seiner Ansprache vor der Einmauerung der Urkunde bezeichnete Pfarrer Karstedt den Bau als das Streben von Jahrzehnten, das endlich Verwirklichung finde. „Es war ein weiter Weg bis zu diesem Bauvorhaben. Auch jetzt sind noch nicht alle finanziellen Schwierigkeiten überwunden. Doch mit Gottes Hilfe und der Opferfreudigkeit der Gemeinde hofft man, das ganze Bauvorhaben fertig stellen zu können. Wichtig ist zunächst die Fertigstellung des Kirchsaales, der noch in diesem Jahr seiner Bestimmung übergeben werden soll. Ihm werden der Konfirmandensaal, der Ausbau der Räume im Kellergeschoss für die Jugend und der Bau des Pfarrhauses folgen.“

Anschließend verlas er die Grußbotschaften des Superintendenten und Grüße der Nachbargemeinden.

 

Die Reihe der Glückwünsche eröffnete der stellv. Stadtbürgermeister Nüsperling, der als Geschenk ein Aquarell des bekannten Dattelner Kunstmalers Fritz Grothe überreichte: „Die Stadt Datteln freut sich mit der evangelischen Kirchengemeinde Meckinghoven, dass sie endlich ihren lang gehegten Wunsch realisieren kann.“ Die Glückwünsche der Amtsverwaltung überbrachte Verwaltungsrat Kirsten. Bergrat Witsch von der Zeche Emscher-Lippe wünschte, dass in den Räumen Liebe und Frohsinn herrschen mögen und sich die Menschen hier zueinander und zu Gott finden mögen. Es folgten die Glückwünsche des Presbyteriums, des Männerdienstes, der Frauenhilfe und der übrigen kirchlichen Vereine, die alle dazu beitrugen, den Tag der Urkundenlegung zum Freudentag werden zu lassen.

 

Der Posaunenchor des CVJM bei der feierlichen Grundsteinlegung.

 

Das Richtfest

In schneller Folge sollten weitere bedeutungsvolle Freudentage für die evangelische Gemeinde folgen: Unter dem Gesang des Chores „Großer Gott, wir loben dich“ brachten die Zimmerleute am 2. Oktober den Richtkranz auf dem Dachfirst des Kirchenneubaus an. Deutlich konnte man die Umrisse des großen Saales und des davor liegenden Konfirmandensaales – heute Teil der Wohnung der Küsterfamilie – schon erkennen, auch dass ein kleiner Glockenturm mit dem Bau des Kirchsaals verbunden wurde. Der Bau des sich anschließenden Pfarrhauses war zunächst ausgeklammert worden; er wurde erst in Angriff genommen, als die Finanzierung restlos gesichert war.

 

Pfarrer Dr. Hübner nutzte erneut die Gelegenheit, das große Ereignis vor den versammelten Gästen und Gemeindegliedern zu würdigen: „Der neue Mittelpunkt des großen Bebauungsplanes zwischen Dümmer und Meckinghoven werden evangelische Kirche und Gemeindesaal sein.“ Er dankte den Behörden, der Baufirma und den Arbeitern herzlich dafür, dass das großzügige Unternehmen in einer Frist von nur 85 Arbeitstagen vom Grundstein bis zum Richtfest vorangetrieben werden konnte. „Der feierliche Moment des Richtens ist zugleich auch ein Sinnbild des Aufrichtens der Meckinghovener Kirchengemeinde.“

In einer sich anschließenden Feierstunde im evangelischen Kindergarten Dümmer an der Marienstraße bewunderten und begrüßten die Vertreter der Stadt und der Kirche allseits die architektonische Ausführung des Neubaus. Pfarrer Karstedt hieß dort alle Gäste herzlich willkommen, auch er dankte den Arbeitern, die zum schnellen Wuchs des Neubaus beigetragen hatten.

 

Pfarrer Karstedt mit der Kupferkassette, in der die Urkunden eingemauert wurden. (Neueste Zeitung)


 

Architekt Judt, der Schöpfer des Bauplans, führte aus, dass in den 85 Arbeitstagen etwa 200.000 Ziegelsteine vermauert wurden. 300 m3 Erde wurden bewegt, 460 m3 Mauerwerk wurden hochgezogen. Dabei waren durchschnittlich 20 bis 22 Mann beschäftigt. Von den Angestellten und Arbeitern der Firma Pulvermacher hob er Maurerpolier A. Nethövel und Zimmerpolier Josef Pieper hervor, die sich in besonderer Weise für den flotten und mustergültigen Fortgang der Arbeiten eingesetzt hätten. Der Architekt vergaß auch nicht, die Unterstützung anzuerkennen und zu loben, die er durch den städtischen Baurat Heit, durch den Baumeister Mohr von der Zeche Emscher-Lippe und durch den Presbyter Horst bei der Durchführung der Arbeiten erfahren hatte.

 

Anschließend erklärten Bürgermeister Dr. Röhl und Amtsdirektor Kierfeld, dass die Stadt Datteln sich schlechthin bemühen wolle, mehr für ihren südlichen Ortsteil zu tun. Amtsbaurat Heit würdigte die neue Kirche als Mittelpunkt eines aufblühenden Ortsteils. Er nutzte die Gelegenheit, den ganzen Plan der Besiedelung dieses Geländes zu erläutern, einen Plan, der erstmals „mitten in die Wildnis hineingreift“. 300 zusätzliche Wohnungen sollten kurzfristig rund um die bestehende Dümmersiedlung errichtet werden. „Der Kirchenneubau ist dabei gleichermaßen Kristallisationspunkt eines Kernes, um den sich später einmal insgesamt 900 Wohnungen gruppieren werden.“

 

Der Richtkranz weht über dem neuen Haus. (Neueste Zeitung 5.10.1953)


 

Ehe man zum gemütlichen Teil überging, sprach noch Dominikanerpater Jakobus, der Seelsorger der Gemeinde St. Marien Dümmer. Auch er beglückwünschte seine evangelischen Brüder zu ihrem Werk. Er freute sich darüber, dass sich das Leben in der evangelischen Gemeinde reger und eifriger würde. „Dadurch ergibt sich ein befruchtendes Zurückstrahlen auch für die katholische Gemeinde.“ Er schloss seine Grußworte mit dem Wunsche, dass beide Konfessionen Schulter an Schulter dazu beitragen möchten, allen Menschen zum Heil zu verhelfen.

Pfarrer Dr. Hübner dankte und bestätigte, dass Eintracht zwischen beiden Kirchen auch das Ziel der gesamten evangelischen Gemeinde sei.

 

Gründung des Kirchenbauvereins

Als Gabe zum 25jährigen Bestehen der Lutherkirche kam Ende Oktober 1953 die erfreuliche Mitteilung, dass die Einrichtung der 3. Pfarrstelle, die das Presbyterium im Sommer beantragt hatte, von der Kirchenleitung in Verbindung mit dem Kultusministerium genehmigt worden war. Erste unverbindliche Gastpredigten von Bewerbern hatten bereits im September vor der Gemeinde stattgefunden.

 

Mitte November wurde der Neubau des Gemeindezentrums im Rohbau fertig gestellt. Finanzielle Schwierigkeiten ließen aber den sehnlichsten Wunsch der Gemeinde nicht in Erfüllung gehen, bereits – wie erhofft – zum Weihnachtsfest den ersten Gottesdienst in den neu erbauten Räumlichkeiten feiern zu können. Auch auf den sofortigen Kauf von Glocken musste die Gemeinde verzichten. Neben dem Rohbau für den Kirchsaal konnte das Kellergeschoss des davor geplanten Pfarrhauses zwar fertig gestellt werden, obschon zunächst nicht an den Bau des Gebäudes selbst zu denken war.

 

Dachdeckerarbeiten im November 1953.


Die Gemeinde verlor aber ihren Optimismus nicht, hoffte nicht nur auf die finanzielle Unterstützung anderer Stellen, sondern intensivierte ihre eigenen Anstrengungen, um den Weiterbau des Hauses zu befördern. Die bereits im Sommer geplante Gründung eines Kirchenbauvereins wurde nunmehr im Männerdienst realisiert: in der November-Versammlung des Vereins fasste Vorsitzender Adolf Leicht die Notwendigkeit für die Gründung eines solchen Kirchenbauvereins kurz zusammen, indem er auf die gemeinsamen Pflichten der gesamten Kirchengemeinde hinwies. „Es muss vermieden werden, dass die drei Pfarrbezirke unabhängig voneinander ihre Pläne zur Durchführung bringen.“ Mit den vorbereitenden Arbeiten zur Gründung wurden diesmal die drei Vereinsmitglieder Prochnau, Brinkmann und Dreier gewählt. Pfarrer Dr. Hübner gab seine volle Zustimmung.

 

Es gelang, diesen Kirchenbauverein am 1. Januar 1954 zu gründen. Aufgabe dieses Vereins sollte ganz allgemein die Ausgestaltung und Erhaltung der kirchlichen Gebäude in der gesamten evangelischen Kirchengemeinde Datteln sein. Intensiv bemühte sich der Verein, das Interesse aller Gemeindeglieder an diesen Projekten zu wecken. Über die Mitgliederentwicklung finden sich in den Unterlagen nur zufrieden stellende Äußerungen. Als Vorstand fungierten: Vorsitzender Lehrer Gerhard Prochnau, Stellvertreter H. Grolich, Kassierer E. Dreier und Schriftführerin Herta Baumann.

 

Der Kirchsaal nach seiner Einweihung 1954.

 

Der festlichen Einweihung des Kirchsaals stand nun nichts mehr im Wege. Am 14. März 1954 wurde der neue Gemeindemittelpunkt seiner Bestimmung übergeben, und die Gemeinde nahm freudig Besitz von den neuen Räumlichkeiten: Der Hauptbau, der zugleich als Kirche und Gemeindesaal diente, hatte eine Fläche von 175 m2, war also beträchtlich größer als beispielsweise der Saal im Lutherhaus.

 

Um die enge Verbundenheit der evangelischen Kirchengemeinde Meckinghoven mit der benachbarten Zeche Emscher-Lippe zum Ausdruck zu bringen – die beständige, z.T. rasante Zunahme der Zahl der Gläubigen seit den bescheidenen Anfängen um 1900 ebenso wie das langfristige materielle Wohlergehen der Gemeindeglieder war ehedem untrennbar verknüpft mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Steinkohlebergbaus – veranlasste das Presbyterium, bei der Ausgestaltung des Saals den Altar und das Altarkreuz aus Spurlatten der Zeche Emscher-Lippe zu gestalten. Mit dieser symbolträchtigen Geste folgte man hier dem schönen Beispiel vieler Bergbaugemeinden; es sei nur daran erinnert, dass auch bei der Renovierung der Lutherkirche 1951 Spurlatten aus der heimischen Zeche beim Altarkreuz Verwendung gefunden hatten. Und auf der heutigen Orgelseite stand bis zum Ende der 70er Jahre die Kanzel; sie war die Verkündigungs- und Abkündigungsstelle: von hier wurden die Predigten gehalten und die organisatorischen Hinweise zur Entwicklung und zu Aktivitäten der Pfarrgemeinde gegeben. Epistel und Evangelium wurden am Altar verlesen.

 

Der nach Westen angrenzende Versammlungsraum und die Empore verfügten zusammen über je 52 m2 und der südlich gelegene Konfirmandensaal über 35 m2 . Dort auf der Empore, im heute sogenannten „blauen Salon“, stand in den Anfangsjahren die alte, einmanualige Orgel mit ihrem scharfen Klang, die zudem schnell und leicht verstimmt war. Im Kellergeschoss standen 115 m2 für Jugendräume und weitere Zwecke zur Verfügung. Die hohe Kellerlage des Gemeinde- und Pfarrhauses, die sich nach dem Niveau des Meckinghover Wegs zu richten hatte, bot den Vorteil, dass die Kellerräume unter der Hauptfront vollwertig ausgenutzt werden konnten. Daher ergab sich die Möglichkeit, dort die Einrichtung eines zusätzlichen Versammlungsraumes und mehrerer Räume für die Jugend vorzusehen. In der ursprünglichen Planung sollten sie allerdings nicht entstehen; erst die Hanglage und bereit gestellte Gelder aus Mitteln des Landesjugendplanes eröffneten die Chance der Schaffung geräumiger Clubräume für CVJM und Mädchenbund, Räume, die schöner aussahen als die Zimmer, die die Jugendlichen damals von Hause her kannten. In den folgenden Jahren fanden aber nicht nur die Jugendgruppen ein Zuhause in diesen Kellerräumen der Kirche, sondern auch die Frauenhilfe, der Chor und der Bibelkreis.

 

 

Einführung des neuen Pfarrers für Meckinghoven

 

Schon vier Wochen später, am 11. April 1954, erlebte die evangelische Kirchengemeinde bereits das nächste festliche Ereignis. Bei herrlichstem Frühlingswetter zog die Geistlichkeit und das Presbyterium in die vollbesetzte Kirche ein, wo Superintendent Geck aus Recklinghausen die Ordination des Pfarrers Otto-Albrecht von Oppen für den neu geschaffenen 3. Pfarrbezirk vornahm. Er umfasste damals den Ortsteil Meckinghoven und die Protestanten aus Henrichenburg und Horneburg. Pfarrer von Oppen war einige Monate zuvor als Hilfsprediger nach Datteln gekommen. In dieser kurzen Zeit war es ihm gelungen, das Vertrauen und die Zuneigung der Kirchengemeinde zu erwerben.

 

Pfarrer von Oppen (Mitte) mit Mitgliedern des Männerwerks.


Der Festgottesdienst wurde mit dem Lied „Marter Christi, wer kann dein vergessen“ eröffnet. Nach der Eingangsliturgie und dem gemeinsam gesprochenen Glaubensbekenntnis sang der Kirchenchor „Erhalt uns Herr bei deinem Wort“. Die Einführung und Einsegnung des neuen Pfarrers endete mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Einer ist’s, an dem wir hangen“.

Seiner Festpredigt legte Pfarrer von Oppen die Bibelworte Hebräer 12, Vers 1 bis 2 zugrunde: „Nach Gottes Wille sollen alle Menschen froh und zufrieden werden. Alle können durch ihren Lebenswandel dazu beitragen, dass dieses Ziel erreicht wird.“ Das Lied „Jesus, meine Freude“, gesungen vom Kirchenchor, leitete über zur Feier des heiligen Abendmahls, die vom hohen Gast aus Recklinghausen, Superintendent Geck, vorgenommen wurde. Pfarrer von Oppen stand der Gemeinde bis 1966 vor; dann ging er als Gefängnis- und Krankenseelsorger nach Berlin.

 

Im Oktober 1954 drängte die Ev. Kirchengemeinde das Kirchliche Bauamt in Hagen zur endgültigen Errichtung des Pfarrhauses für diese 3. Pfarrstelle. Kirchsaal, Konfirmandensaal, Küsterwohnung und das Kellergeschoss des Pfarrhauses wären endgültig fertiggestellt. Mit 184.000 DM wäre man im veranschlagten Finanzrahmen geblieben. „Der Bau dieses Pfarrhauses in Verbindung mit dem Gemeindezentrum ist eine dringende Notwendigkeit. Die Zechenverwaltung, die nur übergangsweise die Wohnung für den Pfarrer zur Verfügung gestellt hat, dringt zu räumen.“ Mit Schreiben vom 17. Oktober 1955 genehmigte das Landeskirchenamt in Bielefeld, dass die Ev. Kirchengemeinde Datteln entsprechend dem Beschlusse ihres Presbyteriums vom 12. Juli 1955 zum Gesamtkostenbetrage von 50.000 DM ein Pfarrhaus in Meckinghoven errichtet.

 

Bausteinkarte zur Finanzierung der Glocken. Im Hintergrund die ehemalige Zeche Emscher-Lippe.

 

Bayerische Glocken

Beim Sonntagsgottesdienst, am 6. November 1955, konnten die Gläubigen die bestellten Glocken, von den Konfirmanden festlich geschmückt, erstmals sehen und bewundern. Pfarrer von Oppen ging in seiner Predigt auf den Sinn der Glocken ein. Nach dem Gottesdienst zogen die Gemeindeglieder an den Glocken vorbei; mit einem Hämmerchen schlugen sie an die Glocken, um sich auf diese Weise von ihrem Klang zu überzeugen.

 

Am Mittag zuvor war nach 20stündiger Fahrt ein Spezialwagen mit den drei Glocken aus der süddeutschen Glockengießerei Karl Shudnohowsky aus Erding in Oberbayern eingetroffen. Sie tragen allesamt die Aufschrift 31. Oktober 1955, dem Tag des Reformationsfestes, an dem sie eigentlich zum ersten Mal erklingen sollten. Durch den Unfall eines Monteurs der Glockengießerei hatte sich jedoch ihre Auslieferung verzögert.

 

In Erinnerung an frühere traurige Erfahrungen aus den vergangenen zwei Weltkriegen, dass Glocken in Notzeiten gerne von den Behörden beschlagnahmt und eingeschmolzen wurden, hat man die Gießerei beauftragt, zur Anfertigung der Glocken eine besondere Legierung zu verwenden, nämlich Euphon. Dadurch haben sie einen weichen Klang. Vor allem haben Glocken aus dieser Legierung jedoch den Vorteil, nicht Gefahr zu laufen, dass sie in Notzeiten hergegeben werden müssen, denn dieses Metall lässt sich nicht wieder einschmelzen, um erneut verwertet werden zu können.

 

Die größte der drei Glocken hat immerhin ein Gewicht von 400 Kilogramm, so dass das Abladen und der Transport in die Kirche nicht ganz einfach war. Aber die Mitarbeiter der Dattelner Firma Zimmerei Strunk hatten alle Vorkehrungen getroffen, so dass die Glocken recht schnell auf den Platz vor dem Altar geschafft und an einem eigens dafür angefertigtes Gerüst aufgehängt wurden.

 

Schon am darauf folgenden Montag wurden die Glocken von Monteuren der Erdinger Gießerei in den Turm befördert und dort befestigt. Von ihnen wurde auch das elektrische Läutewerk angeschlossen, das mit den Glocken verbunden ist. Eingeläutet wurden die Glocken am Buß- und Bettag, dem 22. November 1955, in Verbindung mit einem Dank- und Festgottesdienst, welcher der Bedeutung dieses Ereignisses für die evangelische Kirchengemeinde erneut gerecht wurde.

 

Segnung der Glocken. (Recklinghäuser Zeitung 7.11.1955)


 

Bald darauf (1956) konnte das Pfarrhaus von Pfarrer von Oppen bezogen werden. Damit war die Errichtung des kirchlichen Mittelpunktes in Meckinghoven abgeschlossen; bis eine zweite Bauphase mit dem Ziel der Verschönerung und Vergrößerung des Gemeindezentrums in Angriff genommen werden konnte, sollten erst einmal 15 Jahre ins Land ziehen.