Lucasbrücke Meckinghoven

Kreuzungsbauwerk Lucas-Brücke Nr. 30, bei DEK-km 15,652, Provinzialstraße

 

Darstellung der wesentlichen charakteristischen Merkmale des Denkmals:

Die zweispurige Straßenbrücke liegt im Verlauf der Provinzialstraße und überquert im rechten Winkel den Dortmund-Ems-Kanal. Es handelt sich um eine überwiegend genietete Einfeld-Stahlträgerbrücke mit Parallelträgern und Portalquerriegeln als Trogbrücke ausgeführt. Die Querträger sind in den Kreuzungspunkten der Hauptträgerstreben durch Pfosten aufgehängt, die mit den oberen Riegeln geschlossene Querrahmen bilden. Die Hauptträger sind zwischen den Pfosten und Rauten ausgefacht, Knotenbleche stellen die Verbindungselemente dar. Die Gehsteige sind außerhalb der Hauptträger auf Konsolen gelagert und durch einfache Stabgeländer gesichert. Die Fahrbahn besteht aus Quer- und Längsträgern. Fahrbahn und Gehsteige sind asphaltiert. Für die Konstruktion wurde überwiegend Stahl der Güte St 37 verwendet. Die Widerlager bestehen aus Beton. Die Brücke ist 60,7 m lang, insgesamt 11 m breit und hat eine Tragfähigkeit von 45 t. Sie wurde 1948 auf bereits bestehenden Widerlagern (1933) errichtet und im Februar 1949 in Betrieb genommen.

 

Die sog. Lucas-Brücke ist bedeutend für die Geschichte des Menschen, und zwar hier der Menschen in der Stadt Datteln im Ortsteil Meckinghoven, weil sie ein besonders anschauliches Zeugnis der Ortsgeschichte darstellt. Die Straßenbrücke über den Dortmund-Ems-Kanal befindet sich in unmittelbarer Nähe der historisch bedeutenden Straßenkreuzung „Lucas“, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Vest Recklinghausen. Hier kreuzten sich die vestische Provinzialstraße, die in west-östlicher Richtung von Oberhausen über Osterfeld, Bottrop, Gladbeck, Buer, Westerholt, Herten, Recklinghausen und Horneburg nach Waltrop führte, und die überregionale Nord-Südverbindung von Münster über Lüdinghausen, Datteln-Meckinghoven, Castrop und Witten in Richtung Wuppertal (heutige B 235). Namensgebend für die Straßenkreuzung wie auch später für die Brücke war der Gastwirt und Sägewerkbesitzer Josef Lucas, dessen Gasthof bedingt durch die verkehrsgünstige Lage an dieser Kreuzung als Haltestelle für Postkutschen und Pferdeomnibusse diente und den Reisenden Übernachtungsmöglichkeiten bot.

 

Die erste Brücke an dieser Stelle entstand 1899 zur Überquerung des gerade neu angelegten Dortmund-Ems-Kanals. Sie wurde 1933 infolge des stark wachsenden Verkehrs ersetzt. Ende des Zweiten Weltkriegs sprengte die Deutsche Wehrmacht die Brücke im Zuge des Vormarsches der Alliierten. Ein schmaler Holzsteg diente vorübergehend als Überweg über den nach Bombenangriffen fast ausgelaufenen Kanal, bis mit seiner Inbetriebnahme 1946 an dieser Stelle eine Behelfsbrücke, eine sog. Bailey-Brücke, errichtet wurde. Diese ersetzte man 1948/49 durch die jetzige Brückenkonstruktion, die von Dortmund aus auf dem Wasserwege angeliefert wurde.

 

Die Lucas-Brücke ist ferner ein bedeutendes Zeugnis der Geschichte des Dortmund-Ems-Kanals mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs, weil sie sehr anschaulich den Wiederaufbau der kriegszerstörten Kanalbrücken dokumentiert und damit auch in diesem Sinne bedeutend für die Geschichte des Menschen ist. Gegen Kriegsende lagen 88% der Brücken des westdeutschen Kanalnetzes in Trümmern. Noch im April 1945 hatte die Deutsche Wehrmacht zahlreiche Brückenanlagen gesprengt. Stark betroffen war auch der Dortmund-Ems-Kanal. Von 184 Brücken standen nur noch 22. Provisorische Hilfe bot den Alliierten beim Wiederaufbau zunächst ein bewährtes englisches Kriegs-Straßenbrückengerät, die sog. Bailey-Brücke, eine transportable, aus vormontierten Einzelteilen zusammensetzbare Behelfsbrücke. Der endgültige Wiederaufbau und die Einrichtung von dauerhaften, dem Verkehr angepassten Brücken sollte jedoch noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Große Schwierigkeiten bereitete u.a. die Beschaffung geeigneter Baustoffe. Bedingt fanden zwar beschädigte stählerne Fachwerküberbauten Wiederverwendung. Im Zuge einer schnellen Räumung des Kanals mussten sie aber oftmals zerkleinert werden, so dass sie anschließend für eine Wiederverwendung nicht mehr zu gebrauchen waren. Neben der Beauftragung von neuen Brücken griff man deshalb auch auf vorhandene Lagerbestände an R1-Brücken zurück, die im Krieg von der Deutschen Wehrmacht in Auftrag gegeben und bei zwei Brückenbauanstalten lagerten, darunter die Dortmunder Union Brückenbau-Aktiengesellschaft, die für den Bau des Dortmund-Ems-Kanals bereits Brücken, Kanalüberführungen und Sicherheitstore geliefert und montiert hatte. Die Dortmunder Union hatte das R1-Brückengerät, ein serienmäßig gefertigtes, mobiles System, ab 1941 mit den Firmen Waagner-Birò in Wien und Eggers in Hamburg in Zusammenarbeit mit der Organisation Todt entwickelt.

 

Die Lucas-Brücke entspricht in ihren Grundabmessungen und dem Rautenfachwerk der Hauptträger einer R1-Brücke, weicht in Details jedoch hiervon ab und weist darüber hinaus keine baulichen Eigenarten auf, die auf eine modulare Verwendung schließen lassen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass für den Bau der Brücke eine Original-Statik und die zugehörigen Ausführungspläne des R1-Brückengerätes als Vorlage gedient haben. Dies ist umso wahrscheinlicher, da die Lucas-Brücke von der Dortmunder Union gebaut wurde, die über entsprechende Pläne verfügte.

 

In der Heimatliteratur ist über die Geschichte der Lucas-Brücke allerdings Folgendes zu lesen: „Ende 1948 wurde die jetzige Brücke fertiggestellt und montiert. … Diese Brückentypen sind zu Hitlers Zeiten gebaut worden und lagerten bei der Firma Klöckner. Sie waren für den Rußlandfeldzug gedacht und lagen abrufbereit für die großen Flußüberquerungen wie Dnjestr, Dnjepr und Wolga. Nach Maß wurde ein Mittelstück der Brücke herausgenommen und die beiden Seitenteile wieder zusammengefügt.“ (Datteln. Historischer Stadtführer, Hg. Geschichtswerkstatt der Volkshochschule der Stadt Datteln, Datteln 1993, S. 116). Die Angaben sind ohne Quellennachweis und können trotz umfangreicher Recherche nicht bestätigt werden.

 

Das charakteristische Erscheinungbild macht die Lucas-Brücke jedoch im Zusammenhang mit der Geschichte des Dortmund-Ems-Kanals zu einem unverwechselbaren Zeugnis der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Da im Zuge des Kanalausbaus bereits viele Nachkriegsbrücken durch Neubauten ersetzt wurden oder zukünftig werden, kommt der Lucas-Brücke auch in dieser Hinsicht eine besondere Bedeutung zu, insbesondere da aus der Zeit des Wiederaufbaus mittel- bis langfristig kaum noch Zeugnisse des Brückenbaus überliefert sein werden.

Für eine Erhaltung und Nutzung der Lucas-Brücke als Baudenkmal sprechen wissenschaftliche Gründe hinsichtlich der Ortsgeschichte wie auch der Geschichte des Dortmund-Ems-Kanals in Verbindung mit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs. Sie ergeben sich aus den oben geschilderten historisch bedeutenden Zusammenhängen.

 

Auch besteht ein wissenschaftliches Interesse am Erhalt der Brücke in Hinblick auf die Möglichkeit einer vergleichenden Betrachtung der Lucas-Brücke mit anderen erhaltenen Nachkriegsbrücken über den Dortmund-Ems-Kanal, besonders mit dem im Erscheinungsbild ähnlichen R1-Brückengerät, von dem ein Exemplar in Dortmund-Schwieringhausen im Zuge der Altmengeder Straße erhalten ist.

 

Für eine Erhaltung und Nutzung der Lucas-Brücke sind auf Grund ihrer hohen Wirksamkeit im Stra0enbild ferner städtebauliche Gründe zu nennen. Sie ist seit nunmehr 65 Jahren ein fester baulicher Bestandteil im Bild des Ortsteils Meckinghoven und prägendes Element an der Grenze zwischen Datteln und Waltrop. Aus westlicher Richtung kommend ist sie zugleich Auftakt für den Schleusenpark Waltrop, beginnend mit dem alten Schiffshebewerk Henrichenburg auf der rechten Seite. Durch die exponierte Lage im Straßenraum, ihre Größe und Gestaltung kennzeichnet die Brücke die Örtlichkeit in unverwechselbarer Weise. Ihre Erhaltung dient der Bewahrung dieses überlieferten, historischen Zustands.

 

Quellen und Literatur:

Datteln. Historischer Stadtführer, Hg. Geschichtswerkstatt der Volkshochschule der Stadt Datteln, Datteln 1993, S. 114ff. - Datteln im Wiederaufbau, 1945-1955. Geschichtswerkstatt der Volkshochschule der Stadt Datteln, S. 142. - Brückenbuch. Wasserstraßenneubauamt Datteln. - Niels Franken, Mobile Brückengeräte aus Stahl. Studienarbeit Stahlbau SS 2002, RWTH Aachen. - Fünfzig Jahre Dortmund-Ems-Kanal. Hg. Wasserstraßendirektion Münster, AG Dortmund-Ems-Kanal und Verein zur Wahrung der Schifffahrtsinteressen des westdeutschen Kanalgebietes, 11. August 1949, S, 41ff. - Andreas Kleinebenne, Straße mit Vorfahrt. 100 Jahre Dortmund-Ems-Kanal. Hg. Wasser-und Schiffahrtsdirektion West, Münster, 1999, S. 108ff. - Presseartikel aus den Jahren 1947 bis 1949. - Informationen des Ingenieurbüros Hermann Jonatzki, Hamburg.

 

Tag der Eintragung: 15.06.2016

Nutzungsart: Straßenbrücke über den Dortmund-Ems-Kanal

Öffentliche Baudenkmäler              Kirchliche Baudenkmäler              Private Baudenkmäler