Unvergessen

 

Rudolf von Bülow –

Amtmann des Amtes Datteln

vom 15.09.1899 – 01.07.1919

Das Stammwappen zeigt in Blau vierzehn (4,4,3,2,1) goldene Kugeln. Auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein Pirol mit goldenem Ring im Schnabel zwischen offenem goldenen Flug hinter zwei mit je sieben goldenen Kugeln belegten blauen Büffelhörnern.

 

 

 „Nil desperandum – Niemals verzagen“

 (Wappenspruch der Familie von Bülow)

 

 

Als er im September 1899 an seiner neuen Wirkungsstätte in Datteln ankam, ist er wahrscheinlich nicht mit offenen Armen von der einheimischen Bevölkerung empfangen worden, der neue Amtmann Rudolf von Bülow. Erneut hatte der Oberpräsident nämlich einen Protestanten ins katholische Westfalenland geschickt, obwohl die Amtsvertretung die Regierung doch mehrfach um einen katholischen Amtmann gebeten hatte, mit dem Hinweis auf die kirchliche Zugehörigkeit er Bevölkerung. Die preußische Staatsverwaltung hatte sich davon nicht beeindrucken lassen und war ihrem Prinzip treu geblieben, bewusst Andersgläubige als Vertreter der Obrigkeit in die Regionen zu entsenden, um Vetternwirtschaft und Kumpanei vorzubeugen.

 

 

* D a t t e l n, 26. Sept. Gestern Nachmittag 5 Uhr wurde unser neuer Amtsverwalter Herr v. Bülow durch den Landrath Herrn Grafen v. Merveldt im Beisein der Amtsvertretung in sein Amt eingeführt.

 Recklinghäuser Volksblatt vom 28.9.1899

 

1899 kam Rudolf von Bülow in eine kleine Gemeinde mit 4000 Einwohnern, davon wohnten im Dorf selbst etwa 1500 Menschen, die übrigen verteilten sich auf acht Bauerschaften; das Amt Datteln, zu dem Ahsen, Flaesheim und Rapen gehörten, zählte gerade mal 5000 Bewohner. Horneburg war damals zusammen mit Henrichenburg im Amt Waltrop zusammengefasst.


Noch um die Jahrhundertwende war Datteln ein stilles, einsames Dorf, echt ländlich und beschaulich. Die durch das Dorf führende mit Basalt gepflasterte Landstraße war eng und schmal; sie war umgeben von niedrigen Häusern, in den Höfen moderten die Misthaufen. Vom kleinen Marktplatz mit seinen Wirtschaften und dem Amtshaus aus dem Jahre 1870 führte eine kleine Straße zum naheliegenden Kirchplatz mit der alten Dorfkirche aus dem 16. Jahrhundert. Markt und Kirchplatz bildeten den Mittelpunkt des geschäftlichen Lebens, hier lagen die wenigen Läden, in denen sich die Dörfler und die Bauern aus den Bauerschaften mit den Dingen versorgten, die sie nicht im eigenen Garten selbst erzeugt hatten. In diese Bauerschaften führten damals lediglich unbefestigte Feldwege, die vor allem im Winter schlecht befahrbar waren.

 

* Datteln, 20. Sept. Unser bisheriger Amtsverwalter Herr v. Bülow ist zum Amtmann hierselbst ernannt worden. Möge dem hier allgemein beliebten Herrn Amtmann eine lange und reichgesegnte Thätigkeit beschieden sein! Das ist der Wunsch aller Gemeinde-Eingesessenen.

Recklinghäuser Volksblatt vom 19.9.1900

 

Rudolf von Bülow kam in ein Amt, das mehr als ein Jahr ohne Leitung gewesen war. Sein Vorgänger Amtmann Weiß war nämlich bereits im Sommer 1898 aus Datteln abberufen worden. Eine nicht zu erzwingende Arbeitslast lag auf den Schultern des komm. Vertreters, der sogar monatelang nur mit einem Lehrling sämtliche Geschäfte des Amtes zu erledigen hatte. Kamen dann noch die große Zahl von Steuerberufungen, Obst-, Vieh- und Volkszählungen hinzu, so war es ihnen einfach unmöglich gewesen, Alles glatt zu erledigen.

 

Datteln, 12. Juni. Geradezu horrende Verhältnisse müssen auf dem Amte Datteln vor dem Amtsantritte des Herrn Amtmanns von Bülow geherrscht haben, so unordentlich und verwickelt, daß man sich verwundert fragen muß, wie solches überhaupt in einer preußischen Verwaltung vorkommen kann. So zeigte sich die Registratur derart in Unordnung, daß es bis heute trotz angestrengtester Arbeit nicht hat gelingen wollen, sie wieder vollständig zu ordnen. Im September 1899 trat der jetzige Amtmann nach Suspendirung seines ungetreuen Vorgängers das Amt an; im November desselben Jahres wurde auf Beschluß der Amtsversammlung der bisher in Gelsenkirchen thätig gewesene Amtsgehülfe Heinrich Drenhaus als Amtssecretär angestellt. Eine gewaltige Arbeitslast war nun zu bewältigen, neben den laufenden Geschäften waren auch die alten Verhältnisse zu ordnen, so daß man auf dem Amte oft nicht wußte, wie man aus dem Wirrwarr herauskommen sollte. So kam es nicht selten vor, daß sogar nothwendige Arbeiten trotz mehrfacher Mahnung seitens der vorgesetzten Behörden unerledigt blieben.

Recklinghäuser Zeitung vom 13.6.1901

Rudolf von Bülow kam in ein Amt, das mehr als ein Jahr ohne Leitung gewesen war. Sein Vorgänger Amtmann Weiß war nämlich bereits im Sommer 1898 aus Datteln abberufen worden. Eine nicht zu erzwingende Arbeitslast lag auf den Schultern des komm. Vertreters, der sogar monatelang nur mit einem Lehrling sämtliche Geschäfte des Amtes zu erledigen hatte. Kamen dann noch die große Zahl von Steuerberufungen, Obst-, Vieh- und Volkszählungen hinzu, so war es ihnen einfach unmöglich gewesen, Alles glatt zu erledigen.

 

Datteln, 12. Juni. Geradezu horrende Verhältnisse müssen auf dem Amte Datteln vor dem Amtsantritte des Herrn Amtmanns von Bülow geherrscht haben, so unordentlich und verwickelt, daß man sich verwundert fragen muß, wie solches überhaupt in einer preußischen Verwaltung vorkommen kann. So zeigte sich die Registratur derart in Unordnung, daß es bis heute trotz angestrengtester Arbeit nicht hat gelingen wollen, sie wieder vollständig zu ordnen. Im September 1899 trat der jetzige Amtmann nach Suspendirung seines ungetreuen Vorgängers das Amt an; im November desselben Jahres wurde auf Beschluß der Amtsversammlung der bisher in Gelsenkirchen thätig gewesene Amtsgehülfe Heinrich Drenhaus als Amtssecretär angestellt. Eine gewaltige Arbeitslast war nun zu bewältigen, neben den laufenden Geschäften waren auch die alten Verhältnisse zu ordnen, so daß man auf dem Amte oft nicht wußte, wie man aus dem Wirrwarr herauskommen sollte. So kam es nicht selten vor, daß sogar nothwendige Arbeiten trotz mehrfacher Mahnung seitens der vorgesetzten Behörden unerledigt blieben.

Recklinghäuser Zeitung vom 13.6.1901

 

 

Das Alte Dattelner Amtshaus war 1870 erbaut worden,

in diesem Gebäude befand sich auch die Dienstwohnung des Amtmanns bis 1913. Das Gebäude wurde 1929 abgerissen.

 


Für diese ländliche „Idylle“ hatte der Oberpräsident Rudolf von Bülow als Amtmann ernannt. Dass sich diese Situation ziemlich bald ändern würde, war jedoch allen Verantwortlichen klar. Denn in und um Datteln herum hatte es zahlreiche erfolgreiche Bohrungen nach Steinkohle gegeben. Die Teufung und Inbetriebnahme des ersten Förderschachtes stand kurz bevor. Für die Bezirksregierung war also klar: einen Anfänger ohne allzu große Berufserfahrung durfte man nicht in dieses aufstrebende Datteln schicken, um mit den zu erwartenden großen Herausforderungen fertig zu werden.

 

Als Sohn eines Gutsbesitzers aus Schleswig-Holstein war Rudolf von Bülow sicherlich aus seiner Kindheit und seinen früheren Wirkungsstätten mit den bäuerlichen Strukturen vertraut. Geboren war er nämlich am 05. Dezember 1856 unweit von Cappeln im Schleswigschen Amt Gottorp belegenen, vom Hauptgut Brunsholm abgezweigten Meierhof Frauenhof, einem abgelegenen Gut etwa 30 km von Flensburg entfernt. Frauenhof hatte 1757 sein heute noch gültiges Aussehen durch den Architekten Tobias Wendler erhalten, der auch das Herrenhaus Toesdorf erbaute. Rudolfs Vater Cay Friedrich Rudolf von Bülow, geboren 13.12.1820 zu Glückstadt, hatte dieses Gut um 1850 gekauft; 1854 heiratete er Henriette Dreyer, die am 06.07.1835 zu Priesholz in Schleswig geboren worden war. Der Betrieb ihres Vaters hatte dem Onkel Joachim Friedrich Cay v. Bülow gehört; er wurde um 1828 an Stephan G. Dreyer verkauft. Dem Ehepaar von Bülow wurden in Frauenhof in den Jahren 1855 bis 1858 die Kinder Gabriele, Rudolf und Friederike geboren. Als Rudolf fünf Jahre als war, verkaufte C.F.R.v. Bülow das Gut Frauenhof 1862 an die Familie Ziese und zog mit seiner Familie nach Lübeck. Dort bekam das Ehepaar von Bülow drei weitere Kinder: Thekla geb. 1868, Valerie geb. 1871 und Margarethe Erdmuthe, geb. 1876. Der Vater starb in Lübeck am 06.05.1880, die Mutter am 25.11.1902.

 

Rudolfs schulische Ausbildung und sein beruflicher Werdegang sind nicht mehr lückenlos nachzuweisen. In den Tagebüchern des Geschlechts von Bülow aus den Jahren 1894 und 1902 ist jedoch vermerkt, dass Rudolf von Bülow in der Zeit, bevor er mit 42 Jahren Amtmann in Datteln / Westf. wurde, berufliche Erfahrungen im ostelbischen Raum gesammelt hatte: zunächst war er Oekonomieinspektor in Bottschow bei Sternberg in der Neumark, einem kleinen Dorf und Rittergut im Kreis Weststernberg / Rg.-Bz. Brandenburg. Der Titel Ökonomieinspektor bezeichnete damals einen Beamten, der mit der Aussicht oder selbständigen Verwaltung eines landwirtschaftlichen Betriebes betraut war. Heute liegt der Ort Bottschow in Polen und heißt Boczów. Um die Jahrhundertwende zählte das Dorf etwa 900 Einwohner, konnte aber mit einer eigenen evangelischen Kirche und einem eigenen Standesamt aufwarten. Danach war Rudolf von Bülow Administrator der Herrschaft Ratschke in Posen. Näheres über diese Herrschaft war nicht zu ermitteln. Der Titel Administrator bezeichnete einen Verwalter, d.h. einen Bevollmächtigten, der fremde Güter im Auftrage des Eigentümers eigenständig führte. Mit anderen Worten: Rudolf von Bülows Erfahrungen vor 1899 lagen in der Verwaltung größerer landwirtschaftlicher Betriebe, weniger in der Verwaltung einer Personengemeinde, auch wenn diese mit 4000 Köpfen zunächst noch überschaubar war. Seine vielfältigen Maßnahmen in Datteln beweisen, dass er den Herausforderungen gewachsen war, die sich ihm stellten beim Übergang von der bäuerlichen Land- zur rasant aufstrebenden Industriegemeinde, deren schnelles Aufblühen in Preußen ohne Beispiel war.

* Datteln, 20. Sept. Unser bisheriger Amtsverwalter Herr v. Bülow ist zum Amtmann hierselbst ernannt worden. Möge dem hier allgemein beliebten Herrn Amtmann eine lange und reichgesegnte Thätigkeit beschieden sein! Das ist der Wunsch aller Gemeinde-Eingesessenen.

Recklinghäuser Volksblatt vom 19.9.1900

 

Bei seiner Ankunft bestand die Dattelner Amts- und Gemeindeverwaltung aus fünf Mitabeitern: einem Amtssekretär, zwei Polizeidienern und dem Gemeindeerheber und dem Steueraufseher. Zusammen mit dem Pfarrer, dem Dorfarzt und dem Lehrer an der Dorfschule bildete er die kleine Gruppe derer, die von auswärts ins Dorf eingerückt waren; sie wurden anfangs argwöhnisch beäugt und mussten sich den Respekt und die Anerkennung der Dorfbewohner trotz ihrer amtlichen Positionen doch mühsam erkämpfen; es kam schon auf die Persönlichkeit an, wie weit es ihnen gelang, über ihre Amtsstellung hinaus als Person Ansehen und Einfluss zu gewinnen.

 

Als kurz nach der Jahrhundertwende, 1902, die Industrie endgültig in Gestalt der Zeche Emscher-Lippe ihre Arme nach Datteln ausstreckte, kamen mit den Zechenbeschäftigten weitere Auswärtige in die Gemeinde, unter ihnen der Bergwerksdirektor Wiesmann, mit dem sich der Amtmann auf Anhieb verstand. Sie waren in vielem gleich. Ihr Weitblick, ihre Gerechtigkeit und ihre persönliche Bescheidenheit wurden noch Jahre nach dem Ende ihrer Tätigkeit gerühmt. Von der persönlichen Anspruchslosigkeit des Bergmeisters – sein Grundsatz war „ausflicken und ausbessern“ - wurde genauso gesprochen wie von der Energie des Amtmannes, der – trotz körperlicher Behinderung unverdrossen tätig – auf seinem Stock gestützt an allen Ecken auftauchte. Obwohl beide Protestanten waren, in ihrer politischen Überzeugung mit der Mehrheit der alten und der neu zuziehenden Bevölkerung nicht übereinstimmten, gewannen sie allgemein Achtung und Ansehen.

 

Die nach dem Beispiel anderer Orte zu erwartende schnelle Entwicklung verlangte nach einer Planung, wenn Missstände vermieden werden sollten. Amtmann von Bülow sah die Gefahren; sein Wille war, diese Fehler zu vermeiden. Damals in den ersten Jahren des Jahrhunderts hat er die Grundlagen für die heutige Stadt Datteln geschaffen. Er war weitschauend, gegenüber dem Gedanken des modernen Städtebaues aufgeschlossen. Die Entwicklung voraussehend, wünschte der Amtmann den Ausbau der Dorfstraße zur Hauptstraße, an diese anschließend ein Straßennetz sowie in weitem Bogen um den Ortskern herum eine Ringstraße, die die künftige Innenstadt umschließen sollte. Sein Ziel war es, dass das Dorf zum wirtschaftlichen und verwaltungsmäßigen Mittelpunkt der neuen Stadt werden sollte, er sah keinen Sinn darin, eine neue eigene Stadt abseits vom Dorf südlich der Zeche entstehen zu lassen. Mit dem Bergmeister war er sich einig, dass die künftige Innenstadt mit den im Bereich der Zeche entstehenden Ortsteilen im Laufe der Jahre auch baulich zusammenwachsen sollte.

Die Zusammenarbeit mit dem Bergmeister wurde dadurch erleichtert, dass sie sich in den ersten Jahren, als der Bergmeister noch nicht am Orte wohnte, - der Amtmann war Junggeselle – zum Mittagessen trafen, in den späteren Jahren, als der Bergmeister seine Familie am Ort hatte, regelmäßig zum Frühschoppen zusammenkamen. Kaum hatte der Amtmann von den ersten Ankäufen der Zeche erfahren, setzte er die Stellung eines Amtsbaumeisters durch. Seine erste Aufgabe bestand in der Festlegung von Fluchtlinien und der Aufstellung eines Bebauungsplanes. Da von einigen Katasterkarten und Bauakten abgesehen keine Unterlagen vorhanden waren, begannen der Amtmann zusammen mit seinem jungen Amtsbaumeister selbst mit den Vermessungsarbeiten. Den ersten Fluchtplan für die Dorfstraße, die heutige Hohe Straße, die eine Breite von 18 m vorsah, lehnte der Amtmann mit den Worten ab: „Das geht so nicht, das bewilligen sie nie, Sie schneiden ja sämtliche Häuser an!“ Ein neuer Plan, der eine Breite von 14 m vorsah, wurde dann nach Rücksprache mit dem Landrat der Gemeindevertretung vorgelegt und angenommen, von den meisten zwar in der stillen Hoffnung, die betroffenen Anlieger würden mit ihren Einsprüchen durchkommen. In der Tat erhoben alle Anlieger Einspruch. Vier Wochen war auf dem Amt ein Schreiber tätig, die Einsprüche zu Protokoll zu nehmen. Sie wurden alle durch den Kreis- und Bezirksausschuss abgelehnt.

Das im Jahre 1870 am Alten Markt erbaute Amtshaus genügte für den Verwaltungsbetrieb, solange die Entwicklung Dattelns eine Vergrößerung der Verwaltung noch nicht erforderlich machte. Als diese Notwendigkeit eintrat, suchte man ihr Rechnung zu tragen, indem zunächst 1906 für die Kasse und 1907 für das Bauamt in dem Hause Lohstraße 19 (Köster) Räume gemietet, ferner 1909 für das Steuer- und Meldeamt eine Holzbaracke neben dem Amtshause aufgeschlagen wurde.

Denn mit den steigenden Aufgaben der Amts- und Gemeindeverwaltung stieg auch die Zahl der Beschäftigten im Amtshaus ständig. Waren 1900 noch 7 Beamte und Hilfskräfte ausreichend gewesen, um dem Amtmann die Erledigung der anfallenden Amtsgeschäfte zu ermöglichen, so betrug 1910 die Zahl der Beamten 10, die der Angestellten 24. 1914, zu Beginn des Krieges, waren es 44 Beamte und 28 Angestellte. Dem Amtmann gelang es in den wenigen Jahren, nicht nur einen allen Anforderungen entsprechenden Verwaltungsapparat aufzubauen, sondern auch seine zahlreichen neu hinzukommenden Mitarbeiter durch sein Vorbild mit seinem Geist zu erfüllen, eine einheitliche Behörde zu schaffen.

 

Neben anderen vorzüglichen Eigenschaften ist Herr von Bülow ein gewiegter Menschenkenner und hat dadurch ein in jeder Hinsicht mustergültiges Beamtenpersonal in die leitenden Stellen gebracht, besonders am Bauamte, wo das für unsere emporblühende Gemeinde so notwendig ist.

Recklinghäuser Volkszeitung vom 3.5.1910

 

In seiner Art ist der Dattelner Amtmann Rudolf von Bülow ein Beispiel für die vielen westfälischen Amtmänner und rheinischen Landbürgermeister, die unter anderen Voraussetzungen zum Leiter einer ländlichen Verwaltung berufen worden waren und ohne die entsprechende Vorbildung plötzlich den Aufgaben gegenüberstanden, die sich aus der schnellen Industrialisierung ihrer Gemeinden ergaben, und die sie meisterten. Gegenüber den Leistungen der bekannteren Oberbürgermeister und Bürgermeister der großen Industriestädte sind die Anstrengungen dieser staatlich ernannten Gemeindebeamten stets weniger beachtet worden; dennoch bedürfen sie einer gerechten Würdigung.

 

So wurde Datteln seit 1903 Datteln mit Wasser, seit 1909 mit elektrischem Strom versorgt. Als die Gemeinde Datteln unter dem Amtmann von Bülow den Plan erwog, durch eine große Umgehungsstraße den durchgehenden Verkehr von dem enggebauten Ortskern fernzuhalten, wurde 1910/11 seitens der Kirchengemeinde für den Südring, die dahin führende Jansenstraße und die Waltroper Straße über 3 Morgen Kirchenland an die politische Gemeinde unentgeltlich abgegeben. Als positiver Nebeneffekt ergab sich damals, dass dadurch das Krankenhaus dem Verkehr erschlossen wurde. Zuvor führte zu ihm lediglich ein Weg, der ein alter Fußpfad war, dieser lief von der Kirche über den Pastorskamp zum Pastorat, dann zu Schürmanns Hof (dort befand sich Schacht III/IV der Zeche Emscher-Lippe) und von da weiter bis nach Löringhof. Als Teilstrecke der großen Umgehungsstraße wurde damals vom Amtmann von Bülow der Südríng angelegt. Von diesem wurde die Jansenstraße (benannt nach Pfarrer Jansen) abgezweigt; sie führte direkt am Krankenhaus vorbei zum Ortskern. So war das Krankenhaus von allen Seiten mit jedem Fahrzeug, vor allem auch mit dem Auto, leicht zu erreichen.

Neben den zahlreichen Straßenbauten, die Chaussee nach Ahsen und Flaesheim und die Chaussee nach Erkenschwick wurden in seiner Amtszeit von Feldwegen zu befahrbaren Straßen ausgebaut, sind unter seinen Leistungen die Einrichtung eines Wochenmarktes, der großzügige Ausbau der Volksschulen und Turnhallen und vor allem die Errichtung des neuen Amtshauses hervorzuheben. Eine lange, hitzige Debatte um den geeigneten Standort für dieses wichtige Gebäude war der Entscheidung für das Dorfschultenhof-Gelände vorausgegangen. Eine Stimme z.B. favorisierte eine Lösung am alten Markt:

 

Hinsichtlich des Amtshauses ist zuzugeben, daß das jetzige im Verlaufe von 1-2 Jahren nicht mehr ausreicht, (ausquartiert hat man ja jetzt schon das Bauamt und die Gemeindeeinnehmerei, wofür die Gemeinde an die 1500 Mark Miete pro Jahr zahlt). Hier Rat zu schaffen, geht dadurch, daß man die Köstersche Wirtschaft und den Schlathölterschen Garten, oder den Schlathölterschen Garten und die Hülsdausche Besitzung ankauft. Dieses Projekt hat sehr vieles für sich, denn hier liegt das Amtsgebäude im Zentrum und an unserm altehrwürdigen Tigg (Marktplatz). Welcher Ort unserer Nachbarschaft kann sich denn rühmen, einen solch schönen öffentlichen Platz zu besitzen? Solche Plätze, welche einen geradezu historischen Charakter haben, sollte man doch erhalten, man sollte stolz darauf sein, sie verschönern zu können. Wie verschönert würde der Tigg nicht werden, wenn er als Staffage ein architektonisches, schönes Amtshaus erhielte. Unsere Kinder und Kindeskinder würden uns dankbar sein.

Morgenpost (Dattelner Zeitung) vom 24.2.1909

Schließlich wurde für diesen Bau, nachdem die Gemeinde im Jahre 1910 die Grundstücke des Dorfschultenhofes erworben hatte, das nördlich der Hafenstraße liegende Gelände als Bauplatz in Aussicht genommen. Der neue Bau wurde in den Jahren 1912/13 aufgeführt. Der geschichtsträchtigste Tag im Leben des Amtmanns von Bülow war sicherlich der 18. Oktober 1913. An diesem Tag wurde das neue Amtshaus eingeweiht.

Ein Bericht über die Feierlichkeiten findet sich in der Recklinghäuser Zeitung vom 20.10.1913 …

Das Gebäude ist 90 m lang und hat 110 Räume. Im Erd- und Obergeschoss beherbergte es die Amtsverwaltung, im Dachgeschoss das staatliche Kanalbauamt, im Westflügel waren zwei Dienstwohnungen untergebracht. Bei seiner Fertigstellung bot das Amtshaus mehr Platz, als es die Einwohnerzahl verlangt hätte; Amtmann von Bülow hatte auf Vorrat bauen lassen.

Bevor wir das Bauwerk verlassen, heften wir unseren Blick noch auf ein herrliches Sinn- und Schmuckstück, das über der Eingangstür zur Privatwohnung des Amtmanns angebracht ist. Um dem unermüdlichen Verweser unseres großen Amtes, dem eifrigen Förderer der Amtshausbaufrage, unserem verehrten Amtmann v. Bülow, dem wir in erster Linie das schöne Bauwerk verdanken, eine Aufmerksamkeit zu bereiten, haben sich die Bauleiter des Amtshauses ohne Wissen des Amtmanns das Familienwappen derer von Bülow verschafft und dieses in Kunststein an genannter Stelle anbringen lassen. Das kunstvolle Wappenstück wird noch die spätesten Geschlechter zur Dankbarkeit an die Zeit gemahnen, wo unter der großzügigen Amtsverwaltung des Amtmanns v. Bülow aus dem Ackerdörfchen Datteln der mächtige Industrie- und Handelsplatz Datteln erstanden ist, an die Zeit, in der dieses prachtvolle Amtshaus errichtet worden ist als ein Hort und eine Pflege- und Hegestätte für Landwirtschaft, Industrie und Schiffahrt.

Recklinghäuser Zeitung vom 18.7.1913

Beim Bau des Amtshauses wurde an der Westseite ein Wappen angebracht: das Stammwappen des Adelsgeschlechts derer von Bülow.


Während des Restes seiner Amtszeit ist der Amtmann durch diesen Eingang in seine Dienstwohnung im Obergeschoss des Westflügels gelangt. Geprägt durch die Wirren der unruhigen Wochen der Revolutionszeit und durch die stark veränderten politischcn Verhältnisse zog es den 62jährigen, der all die Jahre seine Treue zum Kaiser und zum monarchischen Deutschland betont hatte, im Sommer 1919 in den Ruhestand.

 

Datteln, 3. Juni. In der gestrigen Sitzung der Gemeindevertretung teilte der Amtmann von Bülow mit, daß eine Depesche des Oberpräsidenten eingetroffen sei, wonach Rechtsanwalt Limper zu seinem Vertreter ernannt sei. Rechtsanwalt Limper ist schon seit längerer Zeit auf dem hiesigen Amte informatorisch tätig. Versammlung bewilligte dem Vertreter eine auf jährlich 8720 Mark festgesetzte Entschädigung. Nach Erledigung dieses einzigen Punktes der Tagesordnung nahm Amtmann von Bülow mit Dankesworten Abschied. Gemeindevorsteher Krakowczyk sprach in seinem wie auch im Namen seiner Fraktion dem scheidenden Amtmann den besten Dank aus. Der Vertreter des Zentrums, Meisterernst, und Vertreter Schmitz der demokratischen Partei schlossen sich den Dankesworten des Vorstehers an. Mit einem Lebewohl verließ Amtmann von Bülow den großen Sitzungssaal.

Recklinghäuser Zeitung vom 03.06.1919

Amtmann von Bülow trat am 1. Juli 1919 in den wohlverdienten Ruhestand. In den etwa 20 Jahren seiner Amtszeit war mit den Dattelnern warm geworden. In all den Jahren hatte er sich aktiv engagiert in vielen Vereinen. Er führte den Vorsitz im Ortskriegerverband und im Obst-und Gartenbauverein, er war Mitglied im Bienenzuchtverein und im Ziegenzuchtverein. Regelmäßig tauchte er bei evangelischen und katholischen Veranstaltungen als Gast und Redner auf; er besuchte die Schulen und begutachtete die Leistungen der Prüflinge in der Berufs- und Fortbildungsschule ebenso wie in der Landwirtschaftsschule Horneburg. Er half mit bei der Gründung des Turnvereins.

 

Datteln, 1. Juli. Mit dem heutigen Tage tritt der Amtmann von Bülow in den Ruhestand. Vom 15. September 1899 bis 1. Juli 1919, also fast volle 20 Jahre, hat er an der Spitze unseres sich so rasch entwickelnden Amtes gestanden. Industrie, Handel und Verkehr haben sich während dieser Zeit gewaltig entwickelt. Hierdurch wurden aber auch an unser Gemeinwesen bzw. an unsere Verwaltung große Anforderungen gestellt, denen Amtmann von Bülow mit Umsicht und Tatkraft gerecht zu wissen wußte. Auch den sozialen und kulturellen Bestrebungen widmete er sein wohlwollendes Interesse. Die Amtseingesessenen verbinden mit dem Dank an den scheidenden Amtmann die besten Wünsche für sein ferneres Wohlergehen.

Recklinghäuser Zeitung vom 01.07.1919

 

Seinen Lebensabend verbrachte der Amtmann a.D. in dem ihm liebgewordenen Datteln, wo er nach seinem Hinscheiden im Januar 1922 auch bestattet wurde.

 

Im Dattelner Rathaus hängt eine Erinnerungsplakette

an den ehemaligen Amtmann Rudolf von Bülow.

 

 


Datteln, 6. Jan. Amtmann a.D. v. Bülow gestorben. In der Nacht zum 5. Januar ist der frühere Amtmann des Amtes Datteln, Herr Rudolf von Bülow, nach längerer Krankheit aus diesem Leben abberufen worden. Der Verstorbene war seit 1899 in Datteln zunächst als stellvertretender Amtmann und wurde am 9. März 1900 zum Amtmann von Datteln gewählt. Nach 19jähriger Tätigkeit trat Amtmann v. Bülow in den Ruhestand. An Auszeichnungen besaß der Verstorbene den Kronenorden 3. Kl. und den Verdienstorden für Kriegshilfe. Möge er ruhen in Frieden!

Recklinghäuser Zeitung vom 07.01.1922

 

Datteln, 10. Jan. (Beerdigung des Amtmanns v. Bülow.) Sonntag nachmittag wurde die sterbliche Hülle des Amtmanns a.D. R. von Bülow auf dem hiesigen Friedhofe beigesetzt. Welche Hochachtung sich der Verstorbene in allen Bevölkerungskreisen in seiner 20jährigen Tätigkeit als Amtmann hier erworben, davon die überaus starke Beteiligung am Leichenbegängnis. An der Spitze des Zuges spielte die Musikkapelle des Kriegerverbandes Datteln, dann folgten zahlreiche Vereine und Deputationen mit umflorten Fahnen. Hinter dem Leichenwagen schritten die Verwandten des Verblichenen, Vertreter auswärtiger Behörden, die Amts- und Gemeindevertretung von Datteln, Ahsen und Flaesheim, die Beamten- und Lehrerschaft, denen sich ein großes Trauergefolge aus der Bevölkerung anschloß. An der offenen Gruft sprach Pfarrer Trippe aus Waltrop, ein Freund des Heimgegangenen.

Recklinghäuser Zeitung vom 11.01.1922

Das Grab des Amtmanns von Bülow (gest. 05.01.1922) auf dem Dattelner Hauptfriedhof – in der Nähe des großen Steinkreuzes – ist noch heute erhalten. Der Gedenkstein ist stark verwittert, der Name des Verstorbenen ist nicht mehr lesbar, das Wappen derer von Bülow ist aber noch deutlich zu erkennen.

In Datteln ist eine Straße nach dem früheren Amtmann von Bülow benannt, die Bülowsraße.