Die Einweihung des neuen Amtshauses in Datteln.

 

Enthüllung des Jubiläumsgedenksteins.

 

Datteln, 18. Okt. Von herrlichem Wetter begünstigt fand hier heute die Einweihung des neuen Amtshauses und die Enthüllung des Jubiläumsgedenksteines statt. Zu den Feierlichkeiten hatten sich Regierungspräsident von Jarotzky, Landrat Graf von Merveldt, die Regierungsassessoren Dr. Loos und von Wentzel, Kreissyndikus Dr. Schmitz, als Vertreter der katholischen Kirchengemeinde Pfarrer Rottmann, als Vertreter der evangelischen Kirchengemeinde Pfarrer Kleykamp, der Erbauer des Amtshauses Architekt Förster und zahlreiche weitere Ehrengäste eingefunden.

Der Empfang durch Amtmann von Bülow, der mit seinen Beamten vor dem Portal des schmucken Neubaues die Gäste erwartete, erfolgte kurz nach 2 Uhr.

Amtsbaumeister Vorläufer überreichte mit einer kurzen Ansprache, in der er auf die Baugeschichte des Amtshauses hinwies, den Schlüssel an Amtmann von Bülow. Dieser sprach den Wunsch aus, daß der Allerhöchste, der den Bau schon in der Entstehung so sichtlich beschützt habe, auch dem fertigen Hause seinen Schutz angedeihen lassen möge. Er öffnete dann die Türe und lud die Gäste zur

Besichtigung des neuen Amtshauses

ein. Unter Führung des Amtmanns und der Architekten wurde nun ein Rundgang durch das stattliche Gebäude angetreten, dessen Lage zum Dorfe Datteln als eine sehr günstige zu bezeichnen ist. Vom alten Amtshause am Marktplatz liegt das neue Amtshaus nur zirka 300 Meter entfernt. Dasselbe wird im Norden von der Elisabethstraße, im Osten von der Amtshausstraße, im Westen von der Albertstraße und im Süden von der Hafenstraße begrenzt. Das Gebäude ist auf den Platz so gestellt, daß eine Vergrößerung nach Süden gut vorgenommen werden kann. Der jetzt gebaute Teil bildet nach der Erweiterung den hinteren Flügel.

Der Bau ist in seinen Formen schlicht und einfach gehalten, er wirkt mit seiner stattlichen Architektur vornehm. Die besondere Betonung der Haupteingänge und des Sitzungssaales auch im Aeußeren des Gebäudes ist als hervorragend gelungen zu bezeichnen.

 

Der vor, seitlich und hinter dem Gebäude verbleibende Platz wird zu Anlagen ausgestaltet. Diese, in Verbindung mit dem auf der anderen Seite der Elisabethstraße stehenden Eichenwald haben den Namen Kaiser=Wilhelm=Garten erhalten. Die Ausdehnung des Gebäudes beträgt in der Länge 90 Meter.

Im Innern sind die sämtlichen Verwaltungszweige des Amtes untergebracht. Das Sockel-Geschoß enthält im rechten Flügel die Wohnung des Amtsdieners, den Heizkeller mit Koksraum, im linken Flügel 1 Instruktionszimmer für Polizeibeamte, 1 Wachtmeisterzimmer, 1 Wachtlokal mit Telephon-Nachtzentrale, sowie 2 Sammelzellen, 5 Einzelzellen und 1 Brauseraum für Gefangene, desgl. 1 Raum für Konfiskate und 3 Badezellen für Beamte. Das Erdgeschoß enthält außer den Treppenhäusern und der Haupthalle im rechten Flügel die Räume für die Kassenverwaltung mit Tresor, anschließend die Wohnung des Rendanten und die Telephonzentrale, im linken Flügel die Hausmeisterstube, das Meldeamt, daran anschließend das Steuerbüro und die Polizeidiensträume. Im ersten Obergeschoß befindet sich über dem Haupteingang der Sitzungssaal, damit in Verbindung im rechten Flügel das Dienstzimmer des Amtmanns, der Raum für das Standesamt und das Zimmer für einen Beigeordneten; gegenüber die Saalgarderobe; weiterhin die Wohnung des Amtmanns. Im rechten Flügel anschließend an den Sitzungssaal das Zimmer für den Gemeindevorsteher, gleichzeitig als Kommissionszimmer dienend, dann die Räume für die allgemeine Verwaltung, für das Armen- und Wohlfahrtswesen und die für die Bauverwaltung. Das zweite Obergeschoß ist teilweise ein Mansardgeschoß und enthält im rechten Flügel Reserveräume, im linken Flügel die Archivräume, Plankammer, Lichtpauszimmer und einige Reserveräume.

Die Konstruktion des Gebäudes ist massiv. Die Fronten sind mit Terranova und Steinputz versehen. Sämtliche Decken sind in eisenarmiertem Beton hergestellt, welche über den Diensträumen als Hohlkörperdecken ausgebildet sind.

Die Bauleitung lag in den Händen des Amtsbaumeisters Vorläufer, welchem Architekt Förster als Verfasser des Entwurfs zur Bauberatung in künstlerischer Hinsicht beigegeben war. Für die örtliche Bauaufsicht war der Bauführer B. Kraus bestellt, welcher von Anfang des Baues bis zu seiner Vollendung mit Umsicht alle Arbeiten geleitet hat. An der Ausführung ist das heimische Handwerk nach Möglichkeit beteiligt worden. Die Erd- und Maurerarbeiten führte der Bauunternehmer Klemens Dieckhöfer aus Datteln, die Zimmererarbeiten und Dachdeckerarbeiten die Freie Handwerker-Innung Datteln, die Eisenbetonarbeiten die Firma Wiemer u. Trachte, Dortmund, die Klempnerarbeiten, Blitzableiteranlage und Installationsarbeiten der Installateur Heinrich Trockler, Datteln, aus. Die äußeren und inneren Putzarbeiten wurden von L. Bahs, Recklinghausen, die Fensterlieferung von der Tischler-Innung Datteln, die Lieferung der inneren Türen von der Firma Ringhoff in Wesel und die Anstreicherarbeiten von Rud. Lipps in Datteln ausgeführt. Den Korkestrich lieferte die Firma Arnholdt aus Langenberg und den Linoleumfußboden die Firma Bohlmann, Bochum. Die Heizungs- und Entstaubungsanlage führte die Firma L. Opländer, Dortmund, die elektrische Lichtanlage die Firma Gustav Stern, die Telephonanlage die Telephonfabrik Akt.-Gesellschaft vorm. J. Berliner, Düsseldorf, und die Plattierungsarbeiten die Firma Hugo Overthun, Waltrop, die Kunststeintreppen die Firma Joh. Kurtseifer, Datteln, aus. Ferner waren beteiligt für die Lieferung der Bleiverglasung die Firma Hallermann aus Essen, für die Lieferung der Beleuchtungskörper die Firma Gasapparat u. Gußwerk in Mainz und für die Lieferung der Möbel die Firma Landmann in Hamm.

Die Bauarbeiten erforderten eine Bauzeit von einem Jahr und einem Monat. Die Baukosten werden die vorgegebene Summe von 300 000 Mark nur wenig überschreiten.

 

Im Anschluß an die Besichtigung fand in dem geschmackvoll ausgestatteten Sitzungssaale eine

 Festsitzung

statt, die vom Regierungspräsidenten von Jarotzky geleitet wurde. Der Regierungspräsident hielt folgende Ansprache:

Meine Herren! Herr Amtmann von Bülow hat mich eingeladen, die erste Sitzung im neuen Amtshaussaale des Amtes Datteln heute zu eröffnen. Ich bin dieser ehrenvollen Einladung gerne gefolgt und gerne hierhergekommen, um, nachdem ich schon heute früh in Münster an einer patriotischen Feier der Schuljugend teilgenommen habe, nun auch hier teilzunehmen an der patriotischen Festfeier, die verbunden ist mit einem wichtigen kommunalen Akte des Amtes und der Gemeinde Datteln.

Meine Herren! Allenthalben sind heute in deutschen Landen die Häuser geschmückt, von den Kirchen läuteten die Glocken, und selbst der Himmel hat den Tag geschmückt mit herrlichstem Sonnenschein. Leider ist ein trüber Schatten auf die Festesfreude des heutigen Tages gefallen. Wie Sie alle schon gehört haben, ist das Marineluftschiff „L. 2“ in der Luft explodiert und hat 28 blühende Menschenleben gefordert. Das Luftschiff wurde völlig vernichtet und hinzu kommt noch, daß man aus diesem überaus traurigen Ereignis keine Lehren ziehen kann, weil niemand mehr da ist, der über die Ursache des Unglücks Aufschluß geben könnte. Wir alle nehmen innigsten Anteil an dem Geschick, das unsere Marine betroffen hat. Aber das Unglück schärft auch unser Gewissen zu treuer Pflichterfüllung gegenüber dem Vaterland. Und auch die Räume dieses Hauses sind bestimmt zur Pflichterfüllung.

 

Nachdem wir die Räume besichtigt haben, kann ich Amt und Gemeinde Datteln nur von Herzen beglückwünschen. Das Haus ist ein künstlerischer Bau und legt von der Opferfreudigkeit und dem Gemeinsinn der Bürger ein schönes Zeugnis ab. Namens der königlichen Staatsregierung spreche ich den Wunsch aus, daß in diesem Saale Entschließungen gefaßt werden, welche dem Amte Datteln und den ihm zugeteilten Gemeinden zum Segen und Nutzen gereichen mögen. Ein Vergleich dieses stattlichen Hauses mit demjenigen, in dem bisher die Verwaltung untergebracht war, zeigt uns, welche mächtige Entwicklung das Amt Datteln in den letzten Jahren genommen hat. Ich hoffe und wünsche, daß die gedeihliche Entwicklung anhalten möge! Nicht nur in der Vermehrung der Bevölkerungszahl, sondern auch auf allen Gebieten des kommunalen Lebens. Das sind die Wünsche, denen ich am heutigen Tage Ausdruck geben wollte.“

 

Amtmann von Bülow sprach nun dem Regierungspräsidenten seinen allerherzlichsten Dank aus für die freundlichen Worte und begrüßte die Gäste. Dann warf er einen Rückblick auf die Entwicklung Dattelns, das nach dem Einzug der Zeche Emscher=Lippe einen kolossalen Aufschwung genommen habe. Im übrigen seien Landwirtschaft, Schiffahrt und Bergbau die drei Stützen des Amtes Datteln und der dazu gehörenden Gemeinden. Redner sprach den Wunsch aus, daß in die Beratungen im neuen Hause nie die Wogen der hohen Politik hineinschlagen möchten. Nur der wirtschaftlichen Entwicklung und Förderung in sachlichen Verhandlungen solle das Haus dienen. Schlicht und würdig sei es errichtet worden und mit Freuden habe er aus den Worten des Regierungspräsidenten beim Rundgange vernommen, daß es im großen Ganzen als wohlgelungen befunden wurde. Amtmann von Bülow schloß seine Ausführungen mit dem Wunsche, daß Gott der Herr allezeit seine Hand halten möge über das Haus, über die, die in ihm raten und taten, über Amt und Gemeinden Datteln. „Das Amt und die Gemeinden, sie mögen blühen, wachsen und gedeihen!“

Regierungspräsident von Jarotzky schloß hierauf mit Dankesworten an Amtmann von Bülow die erste Sitzung.

Jeder der Anwesenden erhielt ein von der Amtsverwaltung herausgegebenes, künstlerisch ausgestattetes Festbuch, das in interessanten Aufsätzen über die Entwicklung der politischen Gemeinden Dattelns, über die kirchlichen Verhältnisse, das Schulwesen, die Armen- und Wohlfahrtspflege, Industrie, Handel und Gewerbe, das Verkehrswesen und die Baugeschichte des neuen Amtshauses berichtet. Zahlreiche Illustrationen zeigen den neuen und alten Bau, die Grundrisse und die allegorischen Darstellungen der bunten Fenster im Sitzungssaale. In einem die Festschrift einleitenden Vorwort spricht die Amtsverwaltung folgenden Wunsch aus:

Möge das, was in dem neuen Amtshause beraten, beschlossen und ausgeführt wird, immer nur zum Wohle des Amtes Datteln und seiner Einwohner ausschlagen, möge ein jeder das Gebäude mit Vertrauen zur Verwaltung betreten und mit Befriedigung verlassen!“

 

Inzwischen hatten vor dem verhüllten Gedenkstein, der sich gegenüber dem Amtshauseingang zwischen den grünen Bäumen des Kaiser=Wilhelm=Gartens erhebt, die Fahnendeputationen der Vereine aus Amt und Gemeinden, sowie die Schulkinder Aufstellung genommen. Die weiteren Teilnehmer an den Einweihungsfeierlichkeiten begaben sich ebenfalls zu dem Platze, auf dem die Kinder mit dem Chorlied „Flamme empor“ den Festakt der

Enthüllung des Jubiläumsgedenksteins

 einleiteten. Landrat Graf von Merveldt hielt die Enthüllungsrede:

 Hochverehrter Herr Regierungspräsident, geehrte Damen und Herren, liebe Kameraden und liebe Kinder! Als man vor einigen Jahren den Ankauf dieses Geländes beschloß, auf dem wir hier stehen, und den Bau des Amtshauses, da war in Aussicht genommen, den Platz vor dem Hause zu schmücken. Aber damals war noch nicht abzusehen, ob in dem denkwürdigen Jahre 1913 die Weihe des neuen Baues vor sich gehen könne, und man war im unklaren darüber, wie die Ausschmückung erfolgen solle. Heute, am 18. Oktober, ist nun nicht nur das neue Amtshaus fertig, sondern Sie sehen auch als ersten Schmuck auf dem schönen Platze den Jubiläumsgedenkstein. Der Denkstein mahnt uns, einen Rückblick zu werfen auf die glorreiche Zeit vor hundert Jahren. Durch entflammende Dichtungen von Kleist, Arndt und Körner war der Freiheitsdrang der Preußen angefacht, durch das Schillsche Korps ward er gestärkt, doch den eigentlichen Anstoß zur Befreiung Preußens gab Yorck von Wartenburg. Von Erfolg gekrönt wurde sie erst vor den Toren Leipzigs. Dort handelte es sich um Preußens Sein oder Nichtsein. Der Kampf der Verzweiflung trieb den letzten Landwehrmann zum entscheidenden Ringen, und alle waren darüber im Klaren, daß eine verlorene Schlacht bei Leipzig den Untergang Preußens bedeute. Die Schlacht wurde von einem glänzenden Siege gekrönt. Vernichtet wurde der Korse, das französische Heer. Wenn auch der Korse später noch einmal den Versuch unternahm, seine Machtstellung wiederzuerlangen, es war vergebens. Seine Kraft war gebrochen. Preußen hatte die 20jährige Fremdherrschaft endgültig abgeschüttelt. Schon damals träumte man von einem geeinigten Deutschland, aber es dauerte doch noch fast 60 Jahre, bis unter dem großen Bismarck der Traum zur Wirklichkeit wurde. Heute leben wir unter dem Schutze eines einigen, machtvollen Vaterlandes, eines starken Kaisers und Königs, der in den 25 Jahren seiner segensreichen Regierung das Wohl des ganzen Volkes, aller Stände, aller Berufe förderte.

Sie haben den heutigen Tag gewählt, den Jubiläumsgedenkstein zu enthüllen, den Denkstein, der uns mahnt zu nationaler Begeisterung und inniger Vaterlandsliebe. Möge die helle Begeisterung und die Vaterlandsliebe härter sein und länger dauern, als dieser Stein. Das ist der Wunsch, mit dem ich heute den Denkstein enthülle. - (Auf einen Wink des Landrats fiel die an vier beflaggten Pfählen befestigte Leinwand, und der schöne Gedenkstein wurde sichtbar.) - Heute an diesem Gedenkstein wollen wir der Treue zum angestammten Vaterlande in üblicher Weise Ausdruck geben. Unser Kaiser und König hurra, hurra, hurra!“

Begeistert stimmten alle Teilnehmer in die Hurrarufe ein. Nach gemeinsam gesungener Kaiserhymne trugen dann die Kinder den Chor „Gott sei des Kaisers Schutz“ vor. Damit war der offizielle Enthüllungsakt beendet.

Schlicht und würdig hebt sich der Gedenkstein von dem grünen Hintergrunde ab. Er ist aus Basaltsteinen zusammengefügt und trägt in Goldbuchstaben drei Inschriften. Vorne rechts heißt es: 1813. Das Volk stand auf und befreite das Vaterland; auf der Rückseite ist die Zahl 1888 mit dem Worte Dreikaiserjahr eingemeißelt und vorne links steht die Jahreszahl 1913 mit dem Spruche: Den Vätern zur Ehre, dem Kaiser zum Ruhme.

 

Regierungspräsident von Jarotzky und Landrat Graf von Merveldt schritten in Begleitung des Amtmanns von Bülow die Front der Vereine ab und richteten freundliche Worte an mehrere der Krieger und Deputierten. Dann löste sich die Versammlung auf.

 

Um 5 Uhr fanden sich die Festteilnehmer zum

Festessen

 in dem hübsch hergerichteten Saale der Wirtschaft Wilhelm Köster am Markt ein. Auf der Bühne stand in einem Wald von grünen Blattpflanzen und weißen Astern die Kaiserbüste; die Tafel war geschmackvoll dekoriert.

Die Reihe der Reden wurde vom Regierungspräsidenten von Jarotzky eingeleitet:

Sehr verehrte Herren! Wir haben eben das neue Amtshaus besichtigt und können alle mit Bewunderung und Freude auf den Bau blicken, in schöner und reizvoller Lage, ausgestattet mit allen technischen Errungenschaften der Neuzeit, und hoffen, daß er für eine lange Reihe von Jahren den Ansprüchen genügen wird. Aber lassen Sie mich hinweisen auf das Wort eines deutschen Dichters:

Aber schutzlos wär' dies Haus,

Schutzlos unser Leben,

Würde nicht gewalt'gen Bau's

Ueber dieses Haus hinaus

Sich ein and'res heben.

....Dieses Haus, aus Erz gebaut,

Schirmen starke Speere;

Dieses Haus ist anvertraut

Deutscher Macht und Ehre.

Meine Herren! Es ist erst 40 Jahre her, daß wir Deutsche solch freudige und stolze Worte sprechen können, und ein neues Deutsches Reich errichtet wurde. Das alte Haus des heiligen römischen Reiches deutscher Nation hatte dem Sturm der Zeit nicht Widerstand zu leisten vermocht und ist kraftlos dahingesunken, als 1806 Kaiser Franz I. die Kaiserkrone niederlegte. Fremde Eindringlinge hatten sich in den Trümmern des alten Hauses eingenistet. Sollte ein neues Reich erstehen, so war es notwendig, diese zu vertreiben. Und es geschah vor hundert Jahren am 18. Oktober in der Völkerschlacht bei Leipzig. Aber noch viele Jahrzehnte sind nach dieser Schlacht dahingegangen, bis der Traum der Deutschen sich erfüllen konnte. Viel wurde noch vorher verhandelt, projektiert und geschrieben, bis es endlich einem gewaltigen Baumeister der Weltgeschichte, Bismarck, gelang, durch die Hand König Wilhelm I. das Deutsche Reich neu zu begründen unter einmütiger Zustimmung aller Fürsten und Völker des deutschen Stammes.

Meine Herren! Mancher Sturm hat auch das neue Reich umbraust, aber keiner hat dem neuen Bau etwas anzuhaben vermocht, dank der Klugheit unseres kaiserlichen Herrschers. Angefeindet, beneidet, gefürchtet, ja gehaßt von vielen ist das Deutsche Recih, aber es wird auch treu geliebt von seinen Söhnen, welche nie zugeben werden, daß dem Reiche Schaden zugefügt wird und die, dessen bin ich gewiß, Hab und Gut einsetzen werden für Deutschlands Macht und Ehre. Wie unsere Väter vor hundert Jahren mit der Devise: Mit Gott für König und Vaterland gekämpft haben, so geht auch heute ein Sturm durch alle deutschen Lande, aber kein Sturm des Unheils, sondern patriotischer Begeisterung. Aus dessen Brausen klang die Melodie, deren Text lautet: Deutschland, Deutschland über alles! Mit derselben Begeisterung, mit der heute in Leipzig viele Tausende das Denkmal einweihen, lassen Sie uns heute hier gedenken unseres Kaisers, der in den 25 Jahren seiner Regierung das deutsche Volk zu einer hohen Stufe wirtschaftlicher und kultureller Entwicklung geführt hat. Erheben Sie die Gläser und stimmen Sie ein in den Ruf: Se. Majestät, unser allergnädigster Kaiser und König hoch, hoch, hoch!“

 

Amtmann von Bülow begrüßte sodann die Gäste, die zur Verschönerung des Festes hergekommen seien. Er hieß willkommen besonders den Regierungspräsidenten, den Landrat, den Kreisbaumeister und Kreissyndikus, den Grafen v. Matuschka, die Vertreter der Geistlichkeit und alle anderen Gäste. Dankesworte richtete er speziell an den Landrat Grafen von Merveldt, der ihm immer ein treuer Freund und Berater, ein wohlwollender Vorgesetzter gewesen sei. Zum Schluß seiner Rede wies Amtmann von Bülow auf die Bedeutung der Zeche Emscher=Lippe für das Amt hin und sprach die Hoffnung aus, daß zwischen Amt und Zeche das bisherige freundliche Verhältnis weiterbestehen bleiben möge. Er endete mit einem dreifachen Hoch auf die Gäste.

 

Nun erhob sich Landrat Graf von Merveldt:

Sehr geehrter Herr Amtmann! Im Namen der Ehrengäste spreche ich Ihnen unseren verbindlichsten Dank für die uns zuteil gewordene Einladung aus. Ich selbst noch besonders für die freundlichen Worte, die Sie vorhin an mich richteten. Daß ich Ihnen ein wirklicher Freund bin, das betrachte ich als selbstverständlich. Ich will der Freund eines jeden wohlgesinnten Kreiseingesessenen sein. (Bravo!) Nach diesen Grundsätzen ist, glaube ich, stets auch bei meinem Vorgänger verfahren worden. Mit dem Amte Datteln bin ich im übrigen näher bekannt, als Sie vielleicht wissen. In meiner Urlaubszeit pflege ich stets einige Tage im Amte Datteln, in Flaesheim, zuzubringen und mich dort zu erholen.

Weiter möchte ich die Anerkennung des Kreises für den Bau, der gediegen und einfach errichtet wurde, aussprechen. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß aller Luxus, alles, was nicht notwendig war, vermieden worden ist. Einfach und praktisch ist der Grundzug des neuen Amtshauses. Aber die Hauptsache ist die Arbeit, die in dem neuen Gebäude geleistet werden soll zum Wohle und Segen der Gemeinde. Lassen Sie in den Sitzungen nie den Ruf laut werden: Hie Industrie und Landwirtschaft! Hand in Hand muß gearbeitet werden. Nur dann kann Erfreuliches und Ersprießliches geschaffen werden. Wenn Sie Hand in Hand gehen, dann werden Sie selbst Freude an der Arbeit und ihren Erfolgen haben. Ich spreche aus Erfahrung. Bei uns in Recklinghausen besteht volle Einigkeit. Gemeinsam erstreben Industrie und Landwirtschaft das eine: Das Wohl des gesamten Bezirkes.

Ich möchte Ihnen wünschen, daß das neue Amtshaus dem Amte und seinen sämtlichen Gemeinden zum Wohle und Segen gereichen möge. Das Amt Datteln und seine Gemeinden mögen wachsen, blühen und gedeihen! Sie leben hoch, hoch, hoch!“

 

Amtmann von Bülow nahm nun Gelegenheit, allen, die geholfen haben, den Bau fertigzustellen, im Namen des Amtes zu danken. Er erwähnte besonders den Architekten Förster, den Amtsbaumeister Vorläufer, den Bauführer Kraus und schloß auch die Unternehmer und Handwerker, die am Bau halfen, in den Dank mit ein.

Das Festessen nahm einen schönen Verlauf. Bei erlesenen Tafelgenüssen, die Küche und Keller des Wirts alle Ehre machten, und bei den Klängen der hinter der Orangerie verborgenen Kapelle zogen die Stunden in schnellem Fluge dahin und hielten die Festteilnehmer noch lange beisammen.

Mit dem Doppelfeste der Jahrhundertfeier und der Amtshauseröffnung haben die Dattelner den 18. Oktober würdig begangen. Es war ein Fest ohne jeden Mißton, ein Fest, getragen von nationaler Begeisterung und Freude am Erstarken des Gemeinwesens. Sowohl die Veranstalter wie die Gäste werden stets gerne an die für das Amt Datteln bedeutsame Feier zurückdenken. Möge der imposante Bau durch die Jahrhunderte dauern und mögen Amt und Gemeinden um ihn herum weiter stolz und kräftig wachsen!

Recklinghäuser Zeitung vom 20.10.1913