Hilfe für die Kleine Oase

Sisters in Action hören auf

 

Von Uwe Wallkötter, Dattelner Morgenpost, 28. Mai 2016

 

DATTELN. Es war der 2. Juni 1996, als an der Bülowstraße – ungewollt – der Startschuss fiel für eine gleichermaßen beispiellose wie erfolgreiche Hilfsaktion zugunsten der Kleinen Oase. Es war der 60. Geburtstag von Edith Spaeth, zu dem sich die Nachbarn an der Bülowstraße erstmals in Nonnen-Kleidern zu den Liedern des Kultfilms Sister Act singend und tanzend präsentierten. Eine Geburtstags-Überraschung mit weitreichenden Folgen. 20 Jahre später, am 5. Juni, fällt für die Sisters in Action der letzte Vorhang. Eine Ära endet.

 Die Sisters am 2. Juni 1996 erstmals in Aktion – beim Geburtstag von Nachbarin Edith Spaeth. Foto: Privat

 

„Es fällt uns nicht leicht. Aber wir wollen einen ordentlichen Schlussstrich ziehen“, erzählt „Mutter Oberin“ Brigitte Mues-Hölscher im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Sisters in Action sind in die Jahre gekommen. Einige der Nonnen brauchen schon einen Rollator, der vor dem Auftritt in die Ecke gestellt wird, verrät Mues-Hölscher augenzwinkernd.
Sie hatte 1996 die Idee, ihrer Nachbarin mal was anderes zu bieten als das obligatorische Happy Birthday – und zwar auf der Weiberfastnachtsfeier im Höttingzentrum, als die Birken-Sisters – als Nonnen verkleidet – dort auftraten. Das passt prima für Edith Spaeth, die bei echten Nonnen das Kochen gelernt hatte, dachte sich Brigitte Mues-Hölscher. Die Kostüme lieh man sich von den Birken-Sisters aus, geprobt wurde heimlich bei Familie Mues-Hölscher, das Geburtstagskind durfte ja nichts davon mitbekommen. Der Auftritt schlug sprichwörtlich ein wie eine Bombe, schon nach der Premiere gab es die ersten Anfragen für weitere Gastspiele der Sisters.

Was damals niemand ahnte: Es sollten Tausende Auftritte folgen. „Wir haben irgendwann aufgehört zu zählen. Aber ich schätze, 6000 bis 7000 Auftritte sind es gewesen“, so Mutter Oberin. In Spitzenzeiten waren es rund 40 Sisters, die freitags und samstags jeweils vier Auftritte am Abend quer durch das Ruhrgebiet absolvierten. Jedes Wochenende auf Tour – ein hartes Stück Arbeit. Aber missen möchte diese Zeit niemand von den Sisters, betont Mutter Oberin: „Es ist uns sehr ans Herz gewachsen, mit unserer Aktion die Kleine Oase zu unterstützen. Und wir haben viel Spaß gehabt und haben viele nette Menschen getroffen, zu denen heute noch Kontakt besteht.“

Viele schöne Dinge habe man erlebt. Ein Bäcker aus Recklinghausen beispielsweise hat nach dem Auftritt der Sisters bei ihm jedes Jahr Torten für die Sister-Weihnachtsfeier spendiert. Oder ein Textil-Unternehmer aus Erkelenz hat den Dattelner Nonnen als Dankeschön drei Ballen Stoff für neue Nonnen-Kostüme gespendet.
Aber es gab auch Nachdenkliches. Brigitte Mues-Hölscher erinnert sich an einen schwerkranken Mann, der an einer Tankstelle auf die Sisters zukam und sie bat, für ihn zu beten. „Ich habe ihn einfach in den Arm genommen und ihm gesagt, dass wir das für ihn machen“, erzählt Mutter Oberin. Ihm zu erklären, dass sie keine echten Nonnen seien, hatte sie nicht übers Herz gebracht.

Genauso beeindruckend wie die Zahl von Auftritten ist auch das Ergebnis der Spenden sammelnden Sisters. 680 000 Euro wurden so singend und tanzend für die Kleine Oase, das Kurzzeitwohnheim für schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche an der Josefkirche, gesammelt. Und ein paar Tausend Euro kommen nach dem letzten Kassensturz noch hinzu. Schwester Agnes, die die Kleine Oase seinerzeit mit aufgebaut hat, hat Brigitte Mues-Hölscher einmal erzählt, dass ohne die Hilfe der Sisters die Einrichtung wieder hätte schließen müssen. „Damals waren die Pflegesätze noch deutlich niedriger. Heute ist die Kleine Oase finanziell besser aufgestellt“, berichtet die 60-Jährige. Auch ein Grund, warum die Sisters nach 20 Jahren ruhigen Gewissens ihre Kostüme an den Nagel hängen können.

Dass die Kleine Oase unterstützt wurde, war ein Zufall. Brigitte Mues-Hölscher: „Auf dem Geburtstag von Edith Spaeth hatten ihre Kinder eine Tombola zugunsten dieser Einrichtung organisiert. Da haben wir uns angeschlossen.“

Am 2. Juni wird es nochmals ein Gastspiel der Sisters geben – zum 80. Geburtstag von Nachbarin Edith Spaeth. Da schließt sich der Kreis. Und am 5. Juni werden die Sisters auf dem Horseshoe-Festival auf dem Hof Miske in Aktion sein. Dann ist endgültig Schluss. Mutter Oberin wird dann mit ihren Mitstreitern mehr Zeit haben. Die will Brigitte Mues-Hölscher nutzen, um ein kleines Buch zu schreiben. „Über Deutschlands Feten-Kultur und über die vielen Dinge, die wir auf unseren Touren erlebt haben.“ Ein Büchlein, das aber nur nonnen-intern aufgelegt wird. Ein Büchlein, das über Stationen eines wirklich besonderen ehrenamtlichen Engagements berichtet, das in neun Tagen Geschichte sein wird.