Fleischerei Bork

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Tradition in Datteln

 

Bei dieser Dattelner Familie geht es immer um die Wurst

 

Am 1. Juli 1971 eröffnete das Ehepaar Anita und Heinrich Bork die gleichnamige Fleischerei in Datteln. Mittlerweile führt ihre Tochter Petra Thewes das Geschäft mit ihrem Mann Ralf weiter.

 

von Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost, 5. Juli 2021

 

Petra Thewes, Ralf Thewes, Anita Bork, Heinrich Bork © Sebastian Balint

 

Der Sprung in die Selbstständigkeit sei „schwer gewesen“, versucht Fleischermeister Heinrich Bork (76) zu sagen. Doch seine Frau Anita (72) fällt ihm ins Wort und findet deutlichere Worte. „Scheiße war das“, sagt sie. Ihr Mann versucht noch mal kurz zu intervenieren. „Das kannst Du so auch nicht sagen“, versucht er sie zu beschwichtigen. „Doch“, sagt die 72-Jährige, „kann ich. Weil das so war.“ Für einen kurzen Augenblick herrscht Stille in der kleinen Küche des Ehepaars. Dann nimmt Anita Bork einen tiefen Zug von ihrer Filterzigarette und gemeinsam erzählt das Paar, wie vor 50 Jahren alles begann.

 

Idee wird beim Polterabend geboren

 

Die Idee, eine eigene Fleischerei zu eröffnen, sei während eines Polterabends entstanden. Und auch wenn das ein oder andere anregende Getränk geflossen sein soll, von einer Schnapsidee möchte Heinrich Bork nicht sprechen. Doch nicht mal ein Jahr nach seiner erfolgreichen Prüfung zum Fleischermeister kam es während eines Polterabends in der Scheune eines befreundeten Bauern zu einer zukunftsweisenden Begegnung.

 

Die Stimmung sei ausgelassen gewesen, es sei viel getanzt worden und das ein oder andere Bier sei sicherlich auch geflossen, erinnert sich Heinrich Bork. Ein Freund habe damals auf dem Polterabend am Schwenkgrill gestanden und die Würstchen gewendet. Dort habe sich ein kurzes, aber folgenschweres Gespräch ergeben. „Der Kollege meinte nämlich ‚Mensch, warum machst Du Dich nicht selbstständig‘“, erinnert sich Heinrich Bork. Ein passendes Geschäft hatte der Würstchenwender dann auch noch parat.

 

Heinrich Bork geht mit 26 aufs Ganze

 

Und Heinrich Bork setzte wirklich alles aufs Ganze und entschied sich, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Da war er 26 Jahre alt, seine Frau Anita junge 22. Und die war anfangs alles andere als begeistert, gibt die heute 72-Jährige unmissverständlich zu verstehen. Sie sei damals als Industriekauffrau bei Rheinzink angestellt gewesen. „Und da hab ich doppelt so viel verdient, wie er als Fleischermeister“, sagt sie und deutet mit einem Nicken auf ihren Mann Heinrich. Der grinst und zuckt mit den Schultern. „Außerdem hatten wir eine richtig tolle Neubauwohnung“, erzählt Anita Bork. „Und die mussten wir dann abgeben, weil wir zum Geschäft gezogen sind.“

 

Am 1. Juli 1971 eröffnet das Paar schließlich die eigene Fleischerei in Datteln. Und der Start in die Selbstständigkeit hielt einen Prüfstein nach dem anderen für das junge Paar bereit. „Uns fehlten anfangs einfach die Kunden“, sagt Anita Bork, die damals nicht nur ihren gut bezahlten Job bei Rheinzink aufgab, sondern auch noch zur Fleischereifachverkäuferin umschulte. „Die haben uns nicht ernst genommen“, versucht Heinrich Bork eine Erklärung für die Startschwierigkeiten zu finden. „Für die waren wir Blagen.“ Lebensmittel – gerade Fleisch- und Wurstwaren – seien Vertrauenssache, damals wie heute. Vermutlich seien viele Menschen misstrauisch gewesen, da Heinrich Bork noch so jung war. Doch das sollte sich ändern.

 

In den ersten Jahren fehlte oft das Geld

 

„In den ersten Jahren fehlte uns oft das Geld“, erinnert sich Anita Bork. Das seien schwere Zeiten gewesen. Doch das Paar gibt nicht auf und bleibt am Ball, bzw. an der Wurst. Denn die ist es, die dafür sorgte, dass sich alles zum Guten wendete. „Nachdem wir die erste Goldmedaille für unsere Leberwurst erhalten haben, änderte sich alles“, freut sich Heinrich Bork. Eine weitere Medaille erhielt der Fleischermeister kurze Zeit später für seine Fleischwurst. Von da an kam die Sache ins Rollen. Das Unternehmen wächst und beschäftigt zu Spitzenzeiten 50 Angestellte. Heute, 50 Jahre später, sind es noch über 30 Angestellte, die in drei Geschäften (zwei in Datteln, eins in Oer-Erkenschwick) und mit zwei Verkaufswagen auf fünf Wochenmärkten die Kunden mit Fleisch- und Wurstwaren versorgen.

 

Vor sieben Jahren haben Tochter Petra Thewes (48) und ihr Mann Ralf (49) den Betrieb übernommen. Für Petra Thewes habe es nie Zweifel daran gegeben, dass sie das Geschäft der Eltern übernehmen werde, erzählt sie. Als zum Ende der Grundschule eine Lehrerin die Empfehlung zum Besuch des Gymnasiums ausgesprochen hatte, widersprach Petra Thewes selbstbewusst. „Ich habe direkt gesagt, ‚nee, ich muss nicht aufs Gymnasium. Ich übernehme eh den Laden meiner Eltern‘“, berichtet sie lachend. Gesagt getan.

 

Vom Pütt an die Wurstmaschine

 

Doch es sollte sich später noch ein kleines Hindernis ergeben, dass es zu überwinden galt. „Mein Mann Ralf war damals noch auf dem Pütt“, erzählt die 48-Jährige. Da sei aber schon längst absehbar gewesen, dass es nicht gut um die Zechen steht. Sie schlägt ihrem Mann vor, sich umschulen zu lassen. Und zwar im elterlichen Betrieb. Mit der Idee stößt sie bei ihrem Mann auf offene Ohren. Der „Püttrologe“ schult kurzerhand um. 1996 macht er seinen Abschluss als Fleischer, 2010 erhält auch er den Meistertitel.

 

Die Tipps seines Schwiegervaters nehme er gerne an, sagt Ralf Thewes. Immerhin verfüge der über jahrzehntelange Erfahrungen. Aber auch der habe einiges dazulernen können. „Etwa die amerikanischen Schnitte“, sagt Petra Thewes. „Die Kunden wünschen das.“ Während Oma und Opa zum Beispiel noch nach einem Stück aus der Hochrippe fragen, verlangen jüngere Kunden nach einem Ribeye.

 

Außergewöhnliches Wurstrezept

Ralf Thewes experimentiert gerne und tüftelt an neuen Rezeptideen für seine Wurst. Auf Wunsch der Kinder hat der Fleischermeister sogar mal eine Mortadella mit Gummibärchen hergestellt. Die Kinder habe es gefreut, urteilt Petra Thewes, „aber ansonsten braucht das kein Mensch.“