Ein Vorzeigeprojekt der ganzen Region

 

DATTELN. Das Kinderpalliativzentrum setzt seit zehn Jahren europaweit neue Maßstäbe bei der Behandlung lebensbedrohlich erkrankter Kinder.

 

Von Sebastian Balint, Dattelner Morgenpost, 5. Februar 2020

 

Der gebürtige Bochumer Arzt Prof. Dr. Boris Zernikow absolvierte im Alter von 18 Jahren seinen Zivildienst an der Dattelner Kinder- und Jugendklinik. Eine Zeit, die ihn nachhaltig geprägt habe, sagt er heute. Hier sei auch sein Interesse für die Kinderonkologie geweckt worden, sagt er rückblickend. Später wird er es sein, der die Gründung des ersten Kinderpalliativzentrums in Europa maßgeblich vorantreibt. Jetzt feiert das Zentrum an der Dattelner Kinderklinik sein zehnjähriges Bestehen.

Nach dem Medizinstudium in Münster und Harvard ließ sich Zernikow in Bonn, Datteln und Münster zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinderonkologie ausbilden. Während dieser Zeit habe er versucht, gemeinsam mit seinem Professor zu formulieren, was es braucht, um lebensbedrohlich erkrankten Kindern zu helfen. „In der ambulanten Betreuung dieser Kinder und ihrer Familien waren wir damals schon aktiv“, sagt Zernikow. „Wir haben aber dann ganz schnell gemerkt, dass wir sie auch stationär versorgen müssen.“

Prof. Dr. Boris Zernikow widmet sich voll und ganz der Behandlung lebensbedrohlich erkrakter Kinder.  Foto: Kinderpalliativezentrum

 

Datteln wurde von Anfang an als Standort für das neu zu schaffende Versorgungszentrum favorisiert. „Aber wir hatten keine Ahnung wo“, sagt Prof. Dr. Zernikow. Die Idee zum jetzigen Standort stamme vom Geschäftsführer der Klinik, Andreas Wachtel. „Es war eine glückliche Fügung, dass alles zusammen passte“, erklärt der Mediziner. Doch dann geriet das Projekt noch einmal in Gefahr. „Die gesamte Krankenhausförderung wurde damals von jetzt auf gleich komplett umgestellt. Und von einem Moment auf den anderen standen wir mit nichts da“, erzählt Zernikuv. „Das Objekt aufzugeben war allerdings keine Option.“ Ganze 6,5 Millionen Euro galt es aufzubringen.

Auch die Deutsche Krebshilfe wollte das Projekt ursprünglich ablehnen, sagt der Professor. Doch in einem langen Gespräch kann Zernikow zusammen zwei weiteren Kollegen das Ruder noch einmal herumreißen. Dann entscheidet sich das Team um Zernikow dazu, am RTL-Spendenmarathon teilzunehmen.

 

Kleinspender ermöglichen den Bau

„Unserer Patin Inka Bause standen wir anfangs sehr skeptisch gegenüber“, räumt der Mediziner ein. Doch die Bauer-sucht-Frau-Moderatorin erweist sich als Glücksfall für das Prpjekt. „Inka ist so emphatisch, ich würde sie glatt bei uns einstellen.“ Durch die Krebshilfe und den Spendenmarathon konnten zwei Drittel der benötigten Summe aufgebracht werden. „Das letzte Drittel haben tausende Kleinspender aufgebracht“, sagt Zernikow. „So wurde das Kinderpalliativzentrum zu einem echten Projekt dieser Region.“ Und so entsteht im Jahr 2010 ein Haus, das ganz auf die Bedürfnisse eines schwerkranken Kindes und seiner Familie ausgerichtet ist. So ist es zum Beispiel möglich, dass die Kinder mitsamt ihrem Bett in den Garten des Zentrums gefahren werden können. Die Arbeit des multiprofessionellen Teams an der Klinik wird nur zu zwei Dritteln von den Krankenkassen getragen. Um das fehlende Drittel sicherzustellen, hat sich vor zehn Jahren der Freundeskreis Kinderpalliativzentrum e. V. gegründet, der unermüdlich daran arbeitet, die Finanzlücke zu schließen.

 

Hohe Ansprüche an die Mitarbeiter

Nun soll auf dem Dach des vorhandenen Gebäudes ein eigener Operationssaal entstehen, gefördert mit 6,5 Mio. Euro vom Land. „Der Saal ist deshalb so wichtig, weil die Vor- und Nachsorge bei operativen Eingriffen auf anderen Stationen nicht optimal für unsere Patienten ist“, sagt Zernikow.

Sein Team habe sich aber auf die Fahne geschrieben, für eine optimale Versorgung in allen Bereichen zu sorgen. Entsprechend hoch sind auch die Ansprüche an die Mitarbeiter im Team. Immerhin betreuen sie Kinder, die nicht mehr gesund werden. „Daher ist der Zusammenhalt im Team so immens wichtig“, sagt Prof. Dr. Zernikow. Dafür zu sorgen, dass die betroffenen Familien etwas Normalität erleben können, sei das große Ziel ihrer Arbeit.

Mittlerweile kommen Mediziner aus der ganzen Welt nach Datteln, um hier etwas über ganzheitliche Kinderpalliativmedizin zu lernen. „Ich finde, die Menschen hier können stolz auf diese Klinik sein“, sagt der Professor. „Denn ohne sie, ohne den kleinen Mann, wäre das alles nicht möglich gewesen.“

Auf dem Dach des Kinderpalliativzentrums soll ein eigener Operationssaal entstehen.    Foto: Andreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost

 

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