15. Jahre Dattelner Tafel

 

Auf Tour mit den Lebensmittel-Sammlern

 

Von Stefan Huxel, Dattelner Morgenpost, 6. Juli 2015

 

DATTELN. Die Dattelner Tafel wird 15 Jahre alt. Wir haben hinter die Kulissen der karitativen Einrichtung geblickt und stellen in einer Serie verschiedene Arbeitsbereiche vor. Los geht es mit der Logistikabteilung, den Männern und Frauen, die montags bis samstags Lebensmittel von den Geschäften abholen.

 „Besser als auf der Couch gammeln“, sagt Frank Nawrath (re). Gemeinsam mit Fahrer Jürgen Breuer (58) holt er mittwochs für die Tafel Lebensmittel von Geschäften ab. Foto: Andreas Kalthoff

 

Die rund zweieinhalbstündige „kleine“ Mittwochstour im Ostvest steht an. Es ist heiß, wir müssen uns beeilen, damit die Kühlkette eingehalten wird. Jürgen Breuer (58) fährt und verstaut im Laderaum des Kühltransporters, Frank Nawrath (52) und ich packen die Waren in mitgebrachte grünen Kisten um und sortieren vor.
„Bananen und Kartoffeln immer getrennt von Obst und Gemüse. Die strömen Gase aus, dann faulen die anderen Waren schnell“, erklärt Jürgen. Der Waltroper ist gelernter Krankenpfleger, hatte eine eigene Firma. Doch dann änderte sich die Gesetzeslage, er hätte zu viel in den Betrieb investieren müssen, es scheitert am lieben Geld. Seit Jahren lebt er von Hartz IV, ist selber Tafelkunde und übernimmt ehrenamtlich die Mittwochs-Tour. „Versuchen sie mal als fast 60-Jähriger eine Arbeit zu bekommen...“
Beim Discounter angelangt, spurtet Frank zur Kasse, ich hinterher. „Moin, die Tafel“. Man kennt sich. Schnellen Schrittes geht es zur Laderampe. Dort steht eine ganze Palette mit Erdbeeren, Salat, Gurken, Champignons, Pfirsiche, Kräuter, Brot...Wir räumen in die mitgebrachten Kisten um. Die Lebensmittel sind nicht mehr taufrisch, aber gut.
Bei einer späteren Ladeaktion greife ich in einen Berg Bananen. Die sind nicht nur schwarz, auch teilweise aufgeplatzt. Mir tropft die Pampe von den Fingern. „Wenn es faul ist, lassen wir es stehen. Manche Firmen denken, wir wären ein Entsorgungsunternehmen“, sagt Frank. Verdorbene Waren sind aber die Ausnahme. Bei manchen, wie etwa einem Horneburger Obst- und Gemüsehändler, bekäme man nur „schöne Sachen. Da ziehe ich den Hut“, sagt Frank.
Bei einer der großen Supermarktketten in einer Nachbarstadt wartet ein ganzer Aufsteller mit Edel-Schokolade auf uns. „Eine Tafel kostet 3 Euro, die kann ich mir höchstens einmal im Monat erlauben“, sagt Frank. Auch er bezieht Hartz IV, ist Tafelkunde. 30 Jahre hat der 52-Jährige als Maurer auf dem Bau malocht, dann ging die Firma pleite und der Rücken spielte nicht mehr mit. „Ich wollte nicht Zuhause rumsitzen“, sagt er. Mehrmals die Woche helfen er und seine Freundin bei der Tafel aus. „Das ist auch eine Art Familienersatz, man kann mal bei einer Tasse Kaffee quatschen.“
Nach rund zwei Stunden haben wir die fünf Stationen abgefahren. Heute ging es schneller, manchmal müssen sie bis zu einer halbe Stunde warten, wenn die Marktleiter noch nicht zum Aussortieren gekommen sind. Zurück an der Heibeckstraße eilen sofort viele Helfer wie fließige Ameisen mit Sackkarren herbei, damit die Kisten schnell im Kühlhaus verstaut werden.
Ich bin geschwitzt, das war anstrengend. Und das war nur die kleine Tour. „Wenn du eine vier bis fünf Stunden Fahrt hinter dir hast, weißte abends, was du gemacht hast“, sagt Jürgen. Ich kann nur beipflichten und ziehe meine Hut vor der Knochenarbeit: Chapeau!
 

 

30 Geschäfte machen mit:
Mit zwei gesponsorten Kühlwagen sind die Tafel-Teams montags bis samstags unterwegs, steuern dabei 30 Geschäfte in Datteln, Oer-Erkenschwick, Waltrop, Olfen und Selm an. Bis zu drei Touren werden täglich gefahren, stets wird ein Lieferschein ausgefüllt. Die Fahr-Sortier-Ausgabeteams müssen nach Infektionsschutzgesetz und Lebensmittelhygieneverordnungen geschult sein.
Auch untereinander tauschen die Tafeln im Kreis Waren aus, die beispielsweise bis zum nächsten Ausgabetag nicht mehr haltbar wären.
Über den Landesverbund bezieht die Dattelner Caritas als Tafel-Träger ab und an größere Warenmengen der Lebensmittelindustrie, z.B. Fehletikettierungen.

Die Dattelner Tafel
Rund 1 000 nachweislich bedürftige Dattelner können bei der Tafel von Geschäften und Privatleuten gespendete Lebensmittel, Kleidung und Schulmaterialien an den beiden Ausgabetagen Dienstag und Donnerstag günstig erwerben. Träger der Einrichtung ist der Caritasverband Datteln.